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My Berlin: Wer sich erleichtert, ist entspannt

Haben Sie sich schon einmal gefragt, warum Politiker am Ende von langen Pressekonferenzen so gereizt sind? Die politische Klasse ist bisweilen sehr unter Druck.

Ich habe das Alter erreicht, in dem einen die Ginseng-Hersteller auf ihren Verteiler setzen. Deshalb sollte ich mich nicht wundern, dass mir ein Gratistest des sogenannten Uroclubs angeboten wurde. Er sieht aus und fühlt sich an wie ein Regenschirm, ist aber ein ausgehöhlter Golfschläger. So ähnlich wie die falschen Krücken, in denen der Attentäter in „Der Schakal“ seine Waffe versteckte, mit der er Charles de Gaulle umbringen wollte. Der Schläger ist ähnlich, hat aber eine weniger tödliche Funktion.

Angeblich besteht ein großes Problem für männliche Golfer darin, dass sie bisweilen schnell ihre Blase entleeren wollen. Ein dreistündiger Marsch über den Golfplatz ist für die meisten schlägerschleppenden Politiker und Banker zu lang, um ihr Wasser zu halten. Ich weiß nicht, wie professionelle Golfer mit dieser Herausforderung umgehen, schon gar nicht, was Tiger Woods macht, aber die politische Klasse ist bisweilen sehr unter Druck, wenn sie am Loch 14 und 15 angekommen ist. Den Offiziellen der Golfklubs ist das Urinieren aufs Gras ein Ärgernis: Es hinterlässt Flecken und zerstört die Ästhetik der Anlage.

Deshalb hat sich ein amerikanischer Urologe den Uroclub ausgedacht. Man dreht den Schraubverschluss am Ende des Schlägers auf und füllt den Innenraum. Dann kann man, wenn man alles gut verschlossen hat, mit einem etwas schwereren Schläger entspannt weitergolfen. Der Schläger kostet nur 2,95 Euro und kommt mit einer kleinen Schürze, mit der die Privatsphäre gesichert bleibt.

Absurd? Ja, aber nicht absurder als der Rest des Golfspiels. Gehen, stehen, schlagen, mehr gehen, mehr stehen, wieder schlagen – alles in einem hässlichen Pulli. Die neue Erfindung ist aber auch deshalb wichtig, weil sie großen Einfluss haben wird auf die politischen Entscheidungsprozesse. Der Golfplatz war in Amerika schon immer ein politisches Spielfeld, George Bush, Vater und Sohn, fand man dort, Bill Clinton, und nun Barack Obama. Im Spiel mit den Vertretern von Lockheed stampfte Eisenhower den militärisch-industriellen Komplex aus dem Boden. Und in den 1990ern war es der Ort, an dem sich die Elite diskret treffen konnte: keine Abhörgeräte, keine Telefone.

Europa hat das politische Golf importiert. Sogar Klaus Wowereit spielt inzwischen. Und die größte Demütigung lag für Thilo Sarrazin in den vergangenen Tagen in der Entscheidung seiner Kollegen bei der GoSo („Golfende Sozialdemokraten“), ihm die kalte Schulter zu zeigen. So schnell wird er nicht wieder mit dem Großmufti oder dem Oberrabbiner putten gehen. In diesen Zeiten bin ich ganz aufseiten des venezolanischen Diktators Hugo Chavez, der Golf als „bourgeois“ bezeichnet. Linke, meint er, sollten Schläger für andere Zwecke benutzen.

Aber zurück zur Blase. Was passiert mit den diplomatischen Verhandlungen, wenn ein 50-jähriger Politiker mit vergrößerter Prostata das letzte Loch erreicht? Vermutlich ist er mit allem einverstanden, Hauptsache, er kommt schnell zur Klubtoilette. Gazastreifen? Nehmt ihn! Behaltet ihn! Aber lasst mich durch! Und deshalb ist der Uro-Schläger so brillant, er kann die Welt retten. Eines Tages wird vielleicht ein Urologe aufschreiben, was alles in der Weltgeschichte wegen einer schwachen Blase falsch gelaufen ist.

Für Staatsmänner, die im Laufe eines Tages literweise Kaffee trinken, existiert nun eine Rettung. Bela Anda, Gerhard Schröders Regierungssprecher, kennt die eiserne Regel internationaler Diplomatie: „Never miss a piss“, oder auch schlicht „NMAP“. Mit anderen Worten: Man sollte keine Gelegenheit, aufs Klo zu gehen, ungenutzt verstreichen lassen.

Schröder hat sich schnell daran gehalten und ist vor jeder Rede auf die Toilette gegangen. Die Taktik ist jedoch umstritten. Enoch Powell zum Beispiel, der äußerst konservative Tory, meinte dazu: „Ich rede besser und leidenschaftlicher mit einer vollen Blase.“ Aber heute sind sich die meisten einig, dass man ein Fernsehpublikum nur überzeugen kann, wenn man entspannt ist.

Haben Sie sich schon einmal gefragt, warum Politiker am Ende von langen Pressekonferenzen so gereizt sind? Warum sie sofort aufstehen? Warum sie zum Beginn von „Maybrit Illner“ so zahm und am Ende der Sendung so wild sind? Richtig: der Druck der männlichen Körperabläufe. Deshalb hoffe ich, dass der neue Golfschläger sich durchsetzt. Unsere Politiker verdienen so viel Erleichterung wie möglich. Eine Warnung jedoch: Überlegen sie zweimal, bevor sie einem männlichen Politiker die Hand schütteln.

Aus dem Englischen übersetzt von Moritz Schuller.

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