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Meinung: MY BERLIN Willkommen auf dem Roten Planeten

Die beste Nachricht letzte Woche kam aus Washington: George W. Bush plant, den Mars zu erkunden und herauszufinden, ob es dort irgendwelche Lebensformen gibt – vermutlich um dann einzumarschieren.

Die beste Nachricht letzte Woche kam aus Washington: George W. Bush plant, den Mars zu erkunden und herauszufinden, ob es dort irgendwelche Lebensformen gibt – vermutlich um dann einzumarschieren. Dabei müsste Bush, wenn er auf der Suche nach einem Roten Planeten ist, nicht weiter als bis nach Berlin reisen. Viel roter als der Rosa- und Karl-Gedenkmarsch in Friedrichsfelde geht kaum. Sie wissen schon: Egon, der letzte politische Gefangene, mit Nelken; Flierl, Modrow, Wagenknecht. Die ganze Bagage. Wie üblich ging es mehr darum, die tote DDR zu feiern als die tote Rosa Luxemburg. Ich kann mir vorstellen, was Rosa von der DDR gehalten hätte. Ich wette, der Krenz mit seinen harten, toten Augen hätte sie ins Gefängnis gesteckt – und sie hätte die PDS gehasst.

Jedes Mal, wenn die europäische Linke für einen Demonstrationsmarsch oder einen Jahrestag zusammentrifft wird schnell deutlich, dass sie so relevant geworden ist wie Daniel Küblböck. Im vergangenen Jahr war es leichter: Die Linke war gegen den Krieg. Heute ist die Linke gegen was? Reform? Neoliberalismus? In Berlin präsentiert sich die totale Konfusion und Inkompetenz der Linken. Berlin ist pleite; die PDS regiert. Ist es „neoliberal“ pleite zu sein? Natürlich nicht. Die PDS hat nichts zu melden in Berlin. Ihre Zukunft, wenn sie überhaupt eine hat, liegt in der Opposition, aber paradoxerweise gibt es im Moment nichts mehr gegen das man sein kann. Konkurs reduziert Optionen.

Das erklärt, warum „Partner für Berlin“ – eine normalerweise exzessiv optimistische Organisation – zum Schluss gekommen ist, dass die „ungünstige Finanzsituation“ als neuer negativer Imagefaktor der Stadt wahrgenommen wird. Die Reaktion Berlins ist alles andere als revolutionär: Dem Haushaltsgesetz 2004/5 fehlt jede zündende Idee. Klaus Wowereits große Initiative des Jahres besteht darin, die elektrische Beleuchtung der Stadt zu verbessern, um die Stimmung der Shopper zu heben – eine klassisch Lenin’sche Initiative. Die SPD/PDS-Koalition liefert die falschen Antworten auf die falschen Fragen. Der Senat ähnelt solchen Seefahrern, die zu lange auf See waren und plötzlich in den stürmischen grauen Wellen grüne Hügel sehen – und für einen Spaziergang vom Schiff gehen.

Berlin ist ein Verhau, aber ich bezweifle, dass die Wähler im Osten oder Westen Reformwunder von der Koalition erwartet hatten. Sie wünschten sich Schutz von der brutalen Welt da draußen. Der Skandal um die Bankgesellschaft hat das Vertrauen der Berliner in ihre Führungsklasse erschüttert. Es ging dabei nicht allein um Geld, sondern auch um die geheimen Netzwerke, die korrupten Uni-Connections. Die Berliner wollten Transparenz und klare Worte. Nur eine aufrichtige Regierung vermag es, den Einzelnen zur Mitarbeit am öffentlichen Leben zu ermuntern. Der wahre Reichtum Berlins sind seine ehrenamtlichen Organisationen, sein Zivilpatriotismus. Keine andere Stadt – München nicht, Hamburg nicht – verfügt über diese Energie, sie wird aber nicht richtig genutzt.

Es ist nicht schwer, die Prioritäten für Berlin zu ordnen: Gebraucht wird ein dynamischer Dienstleistungssektor, der Jobs produziert, auch Minijobs; die Schulen sollten ermuntert werden, Experimente zu wagen und Bildung attraktiver zu machen; Eltern sollte es leichter gemacht werden, große Familien zu haben – und Verantwortung für die Älteren zu übernehmen. Das sind Ziele, die mit einer sozialistischen Partei kompatibel sind, egal ob SPD oder PDS. Alles was ich sehe, sind lähmend hohe Kindergartengebühren, eine konfuse Bildungspolitik und einen Bürgermeister, der die Christiansen-Runde mit aufrichtiger Regierungsarbeit verwechselt, der glaubt, ein Sombrero auf dem Kopf würde Investoren in die Stadt locken. Und er regiert (wenn das das richtige Wort ist) mit der PDS, dem unehelichen Kind einer kriminellen Organisation. Willkommen auf dem Roten Planeten. Nicht einmal George W. Bush würde in diese Schurkenstadt einmarschieren.

Der Autor ist Korrespondent der britischen Tageszeitung „The Times“. Foto: privat

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