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Nach dem Koalitionsvertrag: Gabriels Geheimkabinett

In einer sehr entscheidenden Frage, die nach der Verteilung der Ministerposten, sollen ihm seine Genossen Vertrauen entgegenbringen. Ist da vielleicht noch etwas, was Sigmar Gabriel der SPD-Basis lieber nicht sagen möchte?

Der wahre Wert dieses Koalitionsvertrages muss sich erst noch erschließen, trotz voller 180 Seiten und mehr als neunzigminütiger Vorstellung durch die Parteivorsitzenden. Da sind noch Rechnungen offen, weniger persönliche, aber doch finanzielle, auch wenn es heißt: Steuererhöhungen gibt es nicht. Entscheiden wird darüber an herausragender Stelle ein Finanzminister, dessen Name und Parteizugehörigkeit allerdings noch verheimlicht wird, mit Rücksicht auf sensible SPD-Mitglieder, die erst mal über die Sache an sich befinden sollen, unbeeindruckt von möglichen Präferenzen oder Animositäten zu Personen und deren Ämtern.

Erste Hinweise auf den Wert dieses Vertrages ergeben sich aber beim Blick zurück auf die Vorgängervereinbarung von 2009. Zu einem unterirdischen Vertrag kam damals eine überdrehte Präsentation. Angela Merkel und Horst Seehofer lächelten sich Mut und Hoffung zu, und der damalige FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle leitete aus dem politisch weitgehend substanzlosen Wunschzettel eine geistig-politische Wende ab. Der Anschein bestimmte das Sein. Und am Ende war da eben nichts.

Vor dieser Folie wirkt der Vertrag von 2013 überwiegend klar und pragmatisch. Wer unbedingt will, kann sich auf seltsam konditionierten Nebenspuren wie der Maut verfahren, kommt dann aber auch nur an die Zahlstation für die kleinste politische Münze. Als große Koalition für große Aufgaben stellten die Parteivorsitzenden ihr Programm für die nächsten vier Jahre vor, und eine dieser Aufgaben soll es sein, soziale Härten zu mildern und die Gesellschaft wieder mehr zusammenzuführen.

Eine Koalition für die kleinen Leute

Merkel betonte, diese Koalition biete eine gute Chance, dass es den Menschen 2017 besser gehe als heute, und Sigmar Gabriel ergänzte, wer aus seiner Sicht damit gemeint ist: „Die kleinen Leute.“ So wird es den gesetzlichen, flächendeckenden Mindestlohn geben, und beim Thema Rente will sich die künftige Regierung vollständig leisten, was die sie tragenden Parteien im Wahlkampf versprochen haben – denn das kostet, im Gegensatz zum Mindestlohn, der eher eine Entlastung der Staatsfinanzen erwarten lässt. Was für Jüngere übrig bleibt, heute, in Bezug auf die Bildung, und später, wenn sie selbst aufs Rentenalter zugehen, steht jedoch im virtuellen Kapitel „Ungewisses“.

Klarer, wenn auch erst im Detail, ist zu erkennen, wie sich die Koalition die Energiewende vorstellt. Am Ziel hält die künftige Regierung fest, der Weg allerdings führt nicht eben direkt ins Land der erneuerbaren Energien. Betreibern von Ökostromanlagen wird das wirtschaftliche Leben schwerer gemacht, die großen Konzerne bekommen mehr Zeit.

Anderes wirkt allenfalls sehr gut gemeint. Kaum jemand wird Gabriel widersprechen, wenn er vollmundig erklärt, man wolle „Europa aus den Händen der Bürokraten befreien“. Nur zu. Aber wie?

Ein Koalitionsvertrag ist die Basis der Arbeit einer Regierung, ihr Gerüst, ihr Auftrag, nicht die Arbeit an sich. Dafür gibt es dann Minister und Staatssekretäre. Sie prägen eine Regierung, füllen den Vertrag mit Leben – oder eben auch nicht. Nur welche?

Gabriel bittet die Basis, ihm in einer für viele entscheidenden Frage einfach zu vertrauen

Auf Wunsch von Gabriel soll die bereits besprochene Ressortverteilung so lange geheim gehalten werden, bis die Basis der SPD über den Vertrag abgestimmt hat. Dafür erbitte er den Respekt der Ungeduldigen, Respekt vor den Mitgliedern seiner Partei, die das, sagt Gabriel, so wollten. Ein seltsamer Vorgang, der sich auch als Misstrauen gegenüber den eigenen Leuten lesen lässt. Traut Gabriel ihnen nicht zu, unvoreingenommen über die Sache zu entscheiden, wenn sie die Verteilung der dazugehörigen Ämter kennen? Kommt da noch was, das sie besser nicht wissen sollten? Gabriel fragt die Basis, aber er bittet sie zugleich, ihm in einer für viele entscheidenden Frage einfach zu vertrauen.

Setzt er sich damit durch, bekommt das Land nicht nur die Regierung, die sich die meisten Menschen vor der Wahl wünschten. Die SPD hätte dann auch den stärksten Vorsitzenden seit sehr langer Zeit – und die Bundeskanzlerin trotz ihres großen Wahlerfolgs einen Koalitionspartner auf Augenhöhe.

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