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Fast so spannend wie der "Tatort": Wahlen!

© dpa

Nach der Niedersachsenwahl: Ja, Politik kann Krimi sein!

Die Niedersachsenwahl war ein reines Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen den Parteien. Es war so spannend, dass die Bundestagswahlen zum Krimi werden und zu Public Viewing einladen könnten, meint unser Kolumnist Matthias Kalle.

Hui, war das spannend am vergangenen Sonntag in Hannover, haben Sie das auch gesehen? Ich meine natürlich: die Wahl, die Landtagswahl in Niedersachen, dieses irre Kopf-an-Kopf rennen, wenn man in diesem Zusammenhang denn überhaupt von Köpfen sprechen kann.

So spannend war das, dass jeder, der in der Übertragung der ARD vor die Kameras durfte, darauf hingewiesen habe, dass der wahre „Tatort“ hier in Hannover zu finden sei. Diese „originelle“ Bemerkung machte jeder, wirklich ausnahmslos jeder. Wann ermittelt mal jemand gegen langweilige Sätze?

Kann ich ja machen. Erstes Ermittlungsergebnis: Am vergangenen Sonntag kam in der ARD überhaupt kein „Tatort“, sondern ein „Polizeiruf“, zum großen Glück übrigens der Polizeiruf aus Rostock, momentan der beste Sonntagabendkrimi im deutschen Fernsehen. Und im Vergleich zu der Wahlübertragung, waren sogar die Schauspieler richtig gut und lieften Dialoge, an die man sich noch lange zurück erinnern wird. Beweise? Bitteschön: Kommissar Buckow sagt zu einer Kollegin König über einen Verdächtigen, dass er mit dem früher mal in einer Gang gewesen sei. Frage König: „Wie hieß denn die Gang?“ Antwort Buckow: „Genau so: Die Gäääng!“

Nach dem Polizeiruf kam dann noch die Talkshow von „Günther Jauch“, die sogar ganz lustig war, weil sich Jürgen Trittin dreimal mal künstlich aufgeregt hat. Danach stand dann auch schon das Wahlergebnis in Hannover fest, da war es dann um kurz vor elf. Fünf Stunden hat das alles also ungefähr gedauert – von der ersten Prognose um 18 Uhr bis zum amtlichen Wahlergebnis um 23 Uhr. Der letzte „Fernsehtatort“ aus Hannover dauerte übrigens drei Stunden, es war eine Doppelfolge, zweimal 90 Minuten, wer das gesehen und dann den Wahlabend verfolgt hat, findet Politik wieder spannend.

Die Wahlbeteiligung in Niedersachen ist ja auch leicht gestiegen – auf etwas mehr als 60 Prozent. Das ist zu wenig, natürlich, aber es geht aufwärts, vielleicht ahnen die Menschen ja doch, dass Politik eine Bedeutung hat, dass sie wichtig ist, dass sie Einfluss hat auf das eigene Leben und das man schön doof ist, wenn man diesen Einfluss aus der Hand gibt. Und vor allem ahnen die Politiker jetzt vielleicht, dass die Wähler, diese 60 Prozent, nicht dumm sind, sondern machen, was sie wollen – und dass man sie nicht mit einen Leihstimmenwahlkampf verhohnepiepeln kann.

Und wäre das nicht was? Die Aussicht darauf, dass Politik plötzlich wieder spannend ist? Das die kommende Bundestagswahl im September möglicherweise tatsächlich ein Krimi wird (allerdings ohne das einer ermordet wird) – und das dafür weder die Politiker noch die Parteien verantwortlich sind, sondern der Wähler, dieses unberechenbare Wesen, der nach etwas mehr als einem Jahr sogar offensichtlich von der Piratenpartei die Nase voll hat, weil deren Inhalte eben nicht spannend sind, sondern langweilig, so langweilig wie das ganze elendige „Umsichselbstkreisen“ des Personals. Und man stelle sich vor: Die Wähler, also die Bürger, also wir alle, wir werden in diesem Jahr über Politik reden, über Inhalte, darüber, was welche Partei will; wir werden miteinander streiten und diskutieren, wir werden Tageszeitungen lesen, Radio hören, wir lassen uns die Parteiprogramme schicken und schauen uns mal die Wahlkampfveranstaltungen an. Weil diese Woche nach der Niedersachsenwahl uns gezeigt hat, dass nicht die Politiker mit uns machen können, was sie wollen, sondern wir mit denen, nämlich sie wählen oder eben nicht.

Und am 22. September um 18 Uhr geht es dann schön zum Public Viewing.

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