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Meinung: Nach der Tat

Berichterstattung zum brutalen Überfall auf dem U-Bahnhof Friedrichstraße Immer die gleiche Frage: Wie konnte das passieren? Eine Antwort drängt sich allerdings von selbst auf: Alkohol!

Berichterstattung zum brutalen Überfall auf dem U-Bahnhof Friedrichstraße

Immer die gleiche Frage: Wie konnte das passieren? Eine Antwort drängt sich allerdings von selbst auf: Alkohol! Wer allein nur mal die in den Zeitungen abgedruckten Meldungen über Gewalttaten gegen Sachen und Menschen ansieht, wird feststellen, wie häufig dabei von alkoholisierten Tätern die Rede ist. Dieser Aspekt spielt jedoch in der ganzen Debatte, die regelmäßig nach Gewaltexzessen aufkommt (und genauso schnell wieder einschläft), so gut wie überhaupt keine Rolle. Die Batterien an Bierflaschen in Imbissbuden, Kiosken, Spätverkaufsstellen und Tankstellen legen beredt Zeugnis über den Zustand der Gesellschaft ab. Wer derart verwahrlost, dem sind auch andere, dem ist die ganze Stadt völlig egal – und da geht dann mal das eine oder andere Wartehäuschen zu Bruch, wird halt mal jemand halbtot geschlagen. Die Folgekosten trägt die Gesellschaft, von der Justiz ist nichts zu befürchten. Mir erscheint zur Eindämmung der Sucht und des Missbrauchs eine erhebliche Beschränkung der Verfügbarkeit von Alkohol in jeder Form dringend geboten.

Michael Szczepaniak,

Berlin-Karlshorst

Für mein Verständnis bezeichnet die Unschuldsvermutung eine Situation, in der jemand einer Tat bezichtigt wird und diese abstreitet. Bis zum Urteil gilt, dass die Person als unschuldig anzusehen ist. Bei dieser Tat gibt es ein Geständnis und eine Videoaufnahme, die sehr stark gegen die Vermutung von Unschuld sprechen. Es fällt einfach sehr schwer, im Angesicht der Offensichtlichkeit der Situation überhaupt eine Unschuld zu vermuten! Meines Erachtens wird der Begriff hier doch nur deshalb verwendet, weil die Richter und Gerichte keine Zeit haben, sich sofort dem Fall und damit einer Verurteilung zu widmen. Hätte es gleich nach dem Geständnis einen Prozess gegeben – und damit auch ein Urteil – würde das „Feigenblatt“ der Unschuldsvermutung gar nicht benötigt. Für mich ist nicht nachvollziehbar, warum ein geständiger Täter frei umherlaufen darf, bis die Gerichte Zeit finden, ihm einen Prozess zu machen. Dieses „Nicht-Reagieren“ auf Verbrechen fördert nach meiner Auffassung eine Haltung in Teilen unserer Gesellschaft, dass solche Taten Kavaliersdelikte sind.

Jörg Heine, Berlin-Lichtenberg

Die so oft betonte richterliche Unabhängigkeit hat zu den Entscheidungen geführt, die Harald Martenstein zusammengestellt hat. Richter brauchen sich nicht um den Beifall des unbescholtenen Bürgers zu bemühen – der ist ihnen ohnehin ferner als alles andere. Die Richtervereinigung sollte den Ursachen der allgemeinen Entfremdung nachgehen und nicht Erhart Körtings maßvolle Stellungnahme dramatisieren, denn der Innensenator ist auf die Richterschelte für seinen Wahlkampf nicht angewiesen. Seine Beliebtheit gründet sich auf sein Handeln. Die Justiz verliert das Vertrauen der Bürger, wenn die richterliche Unabhängigkeit zu personenabhängigen Entscheidungen führt, die nicht nachvollziehbar und wie im vorliegenden Fall von unbegreiflicher Milde sind.

Jürgen Kirschning, Berlin-Moabit

Was bilden sich die Mitglieder des Richterrates Tiergarten eigentlich ein, wer sie sind? Ähnlich den „Halbgöttern in Weiß“ scheinen sie sich für „Götter in Schwarz“ zu halten, die auch rechtlich umstrittene oder falsche Urteile fällen dürfen, aber gegen Kritik immun, sakrosankt sind? Er beweist an dem aktuellen Beispiel, wie fragwürdig und gleichzeitig willkürlich die Rechtsprechung sein kann. Wenn Richter sich oft auf angebliche rechtliche Zwänge berufen und behaupten, dass sie gar nicht anders entscheiden durften, beweisen ganz einfach die häufig entgegenstehenden Entscheidungen der nächsten Instanzen, dass solche Begründungen juristisch haltlose Schutzbehauptungen waren. Wenn Richter, als „gelernte“ Juristen, gleiche Sachverhalte total unterschiedlich beurteilen können, weshalb bestreiten sie dann Nichtjuristen das Recht, ihre Entscheidungen zu kritisieren?

Wenn Richterräte unfähig oder nicht willens sind, der Öffentlichkeit umstrittene Entscheidungen ihrer Kollegen verständlich und nachvollziehbar zu erklären, aber stattdessen in primitive Polemik verfallen („die Richterschelte sei von Wahlkampfinteressen geleitet“), offenbaren sie damit ein intellektuelles Niveau und ein Rechtsempfinden des Richterstandes, das im höchsten Maß bedenklich ist und tatsächlich geeignet, „das Recht von den Menschen zu entfremden“ (Ehrhart Körting).

Ingo Simson, Berlin-Britz

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