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Alles im Griff? SPD-Chef Jan Stöß gab sich im Wahlkampf angriffslustig - und ist jetzt in der Defensive.

© Britta Pedersen / dpa

Nach der Wahlniederlage: Jan Stöß - SPD-Chef auf Abruf

Der Triumph Michael Müllers als Wowereit-Nachfolger ist zugleich die Niederlage des Berliner SPD-Vorsitzenden. Um politisch zu überleben, braucht Jan Stöß Geschlossenheit in der Partei - sonst muss der künftige Regierungschef übernehmen.

Von Sabine Beikler

Zwei Tage nach seiner Niederlage beim SPD-Mitgliedervotum hat der Berliner Parteichef Jan Stöß am Montag seine Arbeit beim Verwaltungsgericht wieder aufgenommen. Der 41-jährige promovierte Jurist hatte sich während des parteiinternen Wahlkampfs um die Nachfolge des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit unbezahlten Sonderurlaub genommen. Jetzt ist er wieder Richter und ehrenamtlicher Landeschef – vielleicht auf Abruf.

Stöß ist als Parteichef angeschlagen. Er erhielt nur 20,8 Prozent aller Stimmen und landete mit einer geringen Differenz zum SPD-Fraktionschef Raed Saleh auf dem zweiten Platz. Schon im Mai hatte die Berliner SPD ihren Vorsitzenden zwar im Amt bestätigt, aber mit 68,7 Prozent der Stimmen nicht gestärkt. Stöß war der einzige Kandidat, nachdem Saleh auf eine Kampfkandidatur verzichtet hatte.

Michael Müller hat nicht vergessen, wer ihn vor zwei Jahren stürzte

Personelle Konsequenzen zieht Stöß aus der aktuellen Niederlage nicht. Im Gegenteil: Er setzt alles auf eine Karte. Und die heißt Michael Müller. Stöß schreibt an die Mitglieder des Landesvorstands: „Ich will und werde als Landesvorsitzender meinen Beitrag dazu leisten, dass die ganze Berliner SPD geschlossen und einig hinter unserem neuen Regierenden Bürgermeister steht.“ Mit dieser Geschlossenheit müsse man die weiteren Herausforderungen angehen.

Das ist Demut, gepaart mit politischer Überlebensstrategie. Müller hat nicht vergessen, dass es vor allem Stöß war, der ihn vor zwei Jahren vom Landesvorsitz stürzte und Müllers Stadtentwicklungspolitik in den vergangenen Mitgliederforen hart anging. Stöß wollte eine neue Politik, kein „Weiter so“, was er Müller indirekt anlastete. Stöß ist ein strammer Linker, ein Idealist, aber doch sehr pragmatisch. Mit seinem eigens konzipierten Regierungsprogramm ist Stöß bei der Basis nicht angekommen. Nur jeder Fünfte hat sich für den Parteichef entschieden.

Jan Stöß muss die Partei hinter Müller versammeln

Müller hat derzeit kein Interesse, den Parteivorsitz zu beanspruchen. Er muss andere Baustellen im Senat fertigstellen und in seiner neuen Rolle als Regierender Bürgermeister ankommen. Aber Müller erwartet von seinem Landesvorsitzenden Stöß eine perfekte „Performance“ auf dem Parteitag im November und die Überzeugungsfähigkeit, möglichst alle Delegierte von Müller als Kandidat zu überzeugen. Schafft Stöß es nicht, die Geschlossenheit in der Berliner SPD wiederherzustellen, sind seine Tage als Landesvorsitzender schnell gezählt. Dann muss Müller ran.

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