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Feiern können sie - aber auch Olympia? Der Jubel auf der Fanmeile beflügelt zumindest die Debatte um eine mögliche Austragung der Spiele in Berlin.

© dpa

Nach der WM: Der Fußball macht den Sport zur Monokultur

Nach dem WM-Erfolg droht dem deutschen Sport das Schicksal einer Monokultur. Denn Sport ist in Deutschland vor allem Fußball. Selbst in Zentren des Fußballs wie Spanien oder England sieht es in dieser Hinsicht besser aus.

Sie war ein rauschendes Fest, diese Weltmeisterschaft von Brasilien. Mitreißende Spiele waren das, die den Weltfußball wachgeküsst haben aus dem Stillstand, den Seriensieger Spanien über die jüngsten Jahre mit seinem Ballbesitzfußball zementiert hatte. Und die deutsche Mannschaft war die beste, hat mit ihrem schnellen Spiel der mutigen Entschlossenheit die Welt verzaubert. Der Fußball hat gewonnen. Deutschland hat gewonnen und der Fußball hat Deutschland gewonnen.

Die ersten zwei Aspekte sind sehr schön, der dritte ist vor allem schön für den deutschen Fußball. Katalysiert durch den WM-Titel wird nun erst recht jeder Knirps so werden wollen wie Thomas Müller und Kollegen. Welch anderem deutschen Sportidol sollte er schon nacheifern? Geld und Aufmerksamkeit gibt es vor allem im Fußball. Von einigen, wenigen Individualsportarten mal abgesehen, in denen – den Formel-1-Zirkus außen vorgelassen – deutsche Sportler auch seit Jahren nicht mehr Weltstars der Kategorie Stefanie Graf sind.

Sport ist in Deutschland Fußball. Und der schluckt schon seit Jahren alle sportliche Kraft, bekommt die besten Athleten. Auf hohem Niveau sind die anderen deutschen Sportarten seit Jahren auf dem Rückzug, bei Olympischen Spielen werden jedes Mal weniger deutsche Medaillen gezählt. Da kann sich die Sportförderung noch so verbiegen, was sie ja gar nicht kann. Hinter dem Fußball verschwinden in Deutschland andere Sportarten aus der öffentlichen Wahrnehmung, Spartensender zeigen inzwischen lieber Viertliga-Fußball als Bundesliga-Handball.

Wem sollten die Zuschauer bei Olympia in Berlin zujubeln?

Es erscheint aberwitzig, dass nun im Zuge des Weltmeistertitels von einer Sogwirkung für die Olympiabewerbung etwa Berlins die Rede ist. Wenn Ende August die besten Leichtathleten der Welt ins Olympiastadion zum Istaf kommen, werden dort weniger Zuschauer auf sie warten als bei einem durchschnittlichen Bundesligaspiel von Hertha BSC. Sicher, Begeisterung mag sich für Olympia künstlich provozieren lassen, die Deutschen, und das macht sie sympathisch, wollen ja feiern: Aber zu was soll der deutsche Fan denn bei Olympia in Deutschland seine Fähnchen begeistert schwingen? Wer soll 2024 denn die deutschen Medaillen gewinnen bei Olympia? Außer der Frauennationalmannschaft im Fußball natürlich.

Die Monokultur im Sport könnte zum deutschen Markenzeichen werden. Selbst in Zentren des Fußballs wie England oder Spanien gibt es andere Sportarten, die große Nebenrollen spielen dürfen. So schlecht müssen sie per se nicht sein, sonst gäbe es nicht Flecken auf dem Planeten, wo der Fußball nicht für sich allein in der ersten Liga der Wahrnehmung spielt. Der Fußball soll seine große Rolle in Deutschland weiter spielen, er hat sie sich verdient. Aber, ein bisschen Begeisterung für den anderen Sport sollte er noch übrig lassen: Vielfalt schmückt jede Kultur. Auch die Sportkultur. Wenn niemand mehr Lust hat, die Felder neben dem Fußball zu bewässern, stehen die Chancen sehr gut, dass Deutschland Weltklasse im Fußball bleibt. Olympia sollte dann aber bitte andernorts stattfinden.

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