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Nach Verurteilung: Silvio Berlusconi hinterlässt ein schweres Erbe

Silvio Berlusconi hat mit seiner dauernden Vermischung von Politik, Show und korrumptiver Klientelwirtschaft sein Land geprägt und gespalten. Nach dem Urteil gegen hat der Cavaliere nun endgültig ausgespielt. Doch sein Erbe wird das Land noch lange beschäftigen.

Zerreißen wird es das Land nicht mehr. Aber das am gestrigen Abend verkündete Urteil des römischen Kassationsgerichts über den Medienmogul und Ex-Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi teilt Italien denn doch in Jubelrufe oder Wutgeheul. Immerhin haben die obersten Richter bestätigt, dass Berlusconi mit seinem Fernseh- und Verlagskonzern Mediaset schwarze Kassen führte und Steuern hinterzogen hat. Nur die rechtlichen wie praktischen Folgen für Berlusconis politische Zukunft ließ das Urteil zunächst in der Schwebe. Italiens reichster, ominösester und so lange Zeit mächtigster Mann hatte sich in seinen früheren Verfahren mit juristischen Finten und Gesetzesänderungen zu eigenen Gunsten noch in die strafrechtliche Verjährung retten können. Jetzt aber ist er zum ersten Mal rechtskräftig schuldig gesprochen worden. Berlusconi hatte einmal gesagt, er sei nur Politiker geworden, um nicht im Gefängnis zu landen. Nun wird er demnächst 77 und erhält aus Altersgründen in jedem Fall Haftverschonung. Doch die letzte Entscheidung über ein Verbot, politische Ämter ausüben zu dürfen, wurde noch nicht gefällt.

Silvio Berlusconi, der Cavaliere

Der kleine große Buffo, den man in Italien so schmeichelhaft den „Cavaliere“ nennt, hat wohl trotzdem ausgespielt. Sich selbst hatte er bereits zum „Märtyrer“ erklärt, und seine politischen Gefolgsleute bezichtigten die römischen Richter, „zehn Millionen Italiener“ abzuurteilen. Diese Polemik mag blindwütig klingen. Doch obwohl das Leben seiner Wähler mit der luxuriös-exklusiven (und zugleich prostitutiv vulgären) Welt des Mailänder Milliardärs wenig gemein hat, verkörpert Berlusconi natürlich ein Stück Italien. Und der Trick der Populisten ist, zwischen Volksführer und Volk eine mystische Einheit zu stiften.

Wie Silvio Berlusconi Italien herunterregierte

Berlusconi hatte den eigenen Anhängern immer suggeriert, sie an seinem wirtschaftlichen Erfolg auch durch seine Politik teilhaben zu lassen. Eine Illusion, die wirksam erst von außen durch die Finanzmärkte zerstört wurde – als das von Berlusconi herunterregierte Italien seine internationale Kreditwürdigkeit zu verlieren drohte und Mario Monti auf den egomanischen Seifenblasenverkäufer folgte.

Vielleicht platzt jetzt auch die politische Blase. Berlusconis Partei PdL, die sich „Volk der Freiheit“ nennt, drohte die Koalition mit dem sozialdemokratischen Partito Democratico von Ministerpräsident Enrico Letta zu verlassen – was viel über das Justizverständnis der Berlusconi-Jünger verrät. Womöglich ist das aber auch der Anfang vom Ende des ganzen Berlusconismus. Denn die PdL ist keine normale demokratische Partei, sondern das Produkt eines Einzelnen, sie lebt allein vom Geld und Personenkult ihres Anführers. Als Partei eines alternden Vorbestraften, auf den nun noch weitere Prozesse warten („Bunga-Bunga“), steht die PdL als große politische Kraft vor ihrem Ende. Was indes die Schwäche der italienischen Linken nicht mindert.

Berlusconis Sender und Blätter haben tagtäglich auf die Italiener eingewirkt

Gleich aber, was mit Berlusconis Partei und Lettas Regierung jetzt unmittelbar geschieht: Tatsächlich hat Italien das Erbe der zwei Jahrzehnte, seit Silvio Berlusconi Anfang der Neunzigerjahren in das Machtvakuum nach dem Zerfall der Christdemokraten und der (rechten) Craxi-Sozialisten stieß, noch lange abzutragen. Berlusconis Sender und Blätter haben tagtäglich auf die Italiener eingewirkt, Berlusconi hat mit seiner dauernden Vermischung von Politik, Show und korrumptiver Klientelwirtschaft das Land geprägt und gespalten. Das reicht bis in die Alltagskultur. Bis in die verwundete italienische Seele.

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