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Dass Christian Wulff auch eine dominierende Figur im Karneval sein würde, war schon vorher klar. Nach dem Rücktritt müssen die Vereine noch einmal nachrüsten.

© dpa

Nach Wulff-Rücktritt: Die Ironie der Geschichte

Christian Wulff war Merkels Kandidat. Sie lag mit ihm falsch. Doch die Kanzlerin ist geübt darin, Niederlagen in einen strategischen Vorteil zu verwandeln.

Er wolle nicht in einem Land leben, in dem man sich von seinen Freunden kein Geld mehr leihen kann, hatte Christian Wulff in einer seiner seltenen persönlichen Erklärungen zur Affäre gesagt. Doch darum ging es nie, und was Christian Wulff will, darauf kommt es nicht mehr an. Jetzt, da die Staatsanwälte meinen, Anhaltspunkte für ein strafrechtlich relevantes Vergehen Wulffs zu haben, war der Rücktritt unausweichlich. Das Land kann nicht mit einem Bundespräsidenten leben, gegen den wegen Korruption ermittelt wird.

Die Causa Wulff in Bildern:

Einen seiner stärksten Momente im Amt hatte Wulff ausgerechnet am letzten Tag. Noch einmal betonte er, was sein großes Thema hätte werden können: Integration. In der kommenden Woche, bei der Gedenkfeier für die Opfer rechtsextremistischer Gewalt, sollte er die Rede halten. Wenige Tage später hätte der Bundestag über die Aufhebung seiner Immunität entscheiden müssen – eine Zumutung, die Wulff dem Land erspart hat. Nun wird dort Angela Merkel sprechen, und nicht der Vertreter des Staatsoberhaupts, Bundesratspräsident Horst Seehofer. Eine kluge Entscheidung.

Von seinem Land zeichnete Wulff indessen ein verheerendes Bild, denn er wünscht ihm eine politische Kultur, in der „die Menschen die Demokratie als unendlich wertvoll erkennen“, was sie, der Umkehrschluss ist wohl gesetzt, demzufolge nicht tun. Da wird die Verbitterung deutlich und die Verletzung, für die er „die Berichterstattungen“ verantwortlich macht. Aber zur politischen Kultur, wie man sie sich wünscht, gehört eben auch, dass der Präsident nicht nur behauptet, aufrichtig zu sein, sondern es wirklich ist. Wulff war zu oft nur ausflüchtig.

Was bedeutet der Rücktritt für die Regierung Merkel?

So bleibt als Ironie der Geschichte, dass er mit dem Verharren im Amt zur Aufklärung der Verbindungen seiner Freunde und Vorteile viel beigetragen hat. Die Details fügen sich zu einem Bild, das ins Bellevue nicht passt. Ob Angela Merkel wirklich glaubt, mit Wulffs Namen bleibe verbunden, „dass die Stärke dieses Landes in seiner Vielfalt liegt“, wie sie sagt? Dahinter wird eher die Hoffnung stehen, dass Wulffs Name nicht mit ihrem verbunden bleibt. Ohnehin fiel die Erklärung der Kanzlerin zu wohlmeinend aus, um ganz glaubwürdig zu sein. So dürfte ihr tiefes Bedauern weniger dem Ende dieser Präsidentschaft gelten, als vielmehr seinem Anfang. Wulff war ihr Kandidat, durchgesetzt mit einiger Mühe. Aber sie lag mit ihm falsch. Wulffs Rücktritt bedeutet deshalb auch eine Rückkehr der Innenpolitik. Und wenn Merkel davon spricht, „in dieser Situation“ wolle sie nach Beratungen der Koalitionsparteien auf SPD und Grüne zugehen, um einen gemeinsamen Kandidaten zu finden, dann meint sie mit „dieser Situation“ gewiss nicht nur Wulffs Rücktritt.

Mit der Suche nach einem neuen Bundespräsidenten beginnt zugleich der Vorwahlkampf für den nächsten Bundestag. Mit Bedacht hat Merkel der SPD und den Grünen – und nur diesen – ein so offenes Angebot gemacht. Gemeinsam heißt in diesem Fall: Sie will alle Parteien zusammenbringen, die für sie auch als künftige Koalitionspartner denkbar sind. Angela Merkel wäre nie Kanzlerin geworden, wenn sie nicht längst einen Plan hätte, wie sie auch aus dieser Situation, einer Niederlage, einen strategischen Vorteil herausholen kann, bei Feind und Freund, ganz legitim und: ganz legal. Und ein gemeinsamer Kandidat passt eben zu jeder Regierung. Leichter als Wulff wird er – oder sie – es ohnehin haben. Wer möchte schon in einem Land leben, das ständig neue Präsidenten braucht.

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