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Meinung: Näher dran

CDU und CSU streiten über Reformen – und darüber, wer den Kurs vorgibt

Von Robert Birnbaum

Die CSU spaltet die Gesellschaft – das sagt nicht die PDS, nein, das behauptet das CDU-Präsidiumsmitglied Hildegard Müller. Wir werden versuchen, den Streit der Unionsschwestern ganz ernst zu nehmen. Wir werden ausrechnen, was das CDU-Modell zur Reform der Rentenversicherung kostet und was das CSU-Modell. Wir werden die Vor- und Nachteile einer sozial abgefederten Kopfprämie gegen die des traditionellen einkommensabhängigen Beitrags zur Krankenkasse abwägen. Wir werden zwei selbständige und unabhängige Parteien würdigen, die in voller Selbstständig- und Unabhängigkeit unterschiedliche Wege in der Sozialpolitik favorisieren. Nur eins werden wir nie und nimmer glauben: dass es den Beteiligten dabei ausschließlich um die Sache geht.

Als CDU-Generalsekretär Meyer am Montag auf Geheiß der gesamten CDU-Spitze den CSU-Vize Seehofer wortpeitschte, ist diese zweite Ebene des Konflikts auch für das breitere Publikum erkennbar geworden. Es wäre ganz falsch, das Problem auf den Namen Seehofer reduzieren zu wollen. Dass zwischen dem CSU-Mann und der CDU-Partei- und Fraktionschefin Merkel seit ihrem offenen Krach um die Gesundheitsreform ein Unverhältnis herrscht, trägt zu der überraschenden Schärfe natürlich bei. Aber der Kern der Auseinandersetzung ist ein anderer. Es geht um die Deutungshoheit in der Union über das richtige Verhältnis von Reform und Sozialem, von Neu und Alt.

Das ist ein sehr alter Konflikt. Nicht neu ist auch, dass die CSU aus ihren absoluten Mehrheiten in Bayern gerne den leicht tautologischen Anspruch herleitet, sie sei irgendwie „näher an den Menschen“ als die große Schwester. Frische Schärfe ist aber in die Sache hineingekommen, seit Merkel das Herzog-Konzept zu ihrem ganz persönlichen Programm für den Umbau Deutschlands erhöht hat und der CSU-Chef Stoiber, den 60-Prozent-Triumph bei der Landtagswahl im Rücken, eigene Konzepte ankündigte.

Um zu verstehen, wieso aus diesem Konflikt ein Krawall wurde, muss nun doch noch mal der Seehofer-Faktor erwähnt werden. Merkel war in ihrer eigenen Partei erst mit der Fundamentalkritik von Seehofers Ziehvater Norbert Blüm konfrontiert und danach mit den nicht minder fundamentalen, aber immerhin rheinisch-gefällig vorgetragenen Einwänden des Sozialflügels. Beides hat die Parteichefin ohne Schaden überstanden: Blüm war im Ton so schrill, dass niemand ihm folgte; die Sozialpolitiker erreichten eine Abmilderung des Herzog-Modells, die letztlich auch Merkel nützt, weil sie jetzt sagen kann, bei aller Radikalität der Reformideen sei die soziale Balance gesichert.

In der CDU widerspricht dem keiner. Die Regierung hat genug damit zu tun, ihren eigenen Kurs gegen den Vorwurf des Unsozialen zu verteidigen. Alles könnte mal so schön sein im Leben der Opposition. Und dann kommt die CSU daher und schwingt sich zum schärfsten Kritiker der CDU auf! Man kann schon verstehen, dass das nicht nur Merkel mächtig auf die Nerven geht, sondern auch den anderen in der CDU-Führung.

Merkel hat es selbst so formuliert: Dass die CDU fürs kalte Marktwirtschaftliche zuständig sein soll und die CSU für das kuschelwarme Soziale – das gehe nicht. Seehofer trägt zu alledem das Seine bei. Er stellt ja nicht nur – zu Recht – die Finanzierungsfrage: Steuern senken mit Friedrich Merz, aber zugleich den gesamten Sozial- und Familienausgleich im Sozialsystem aus Steuern finanzieren wollen, das passt nicht nahtlos aufeinander. Aber wenn der CSU-Vize zugleich behauptet, das Kopfpauschalen-System bedeute, dass ein Firmenchef und sein Hausmeister den gleichen Beitrag zur Krankenversicherung zahlen müssten, dann grenzt das an Bösartigkeit. Der Hausmeister zahlt nach dem jetzt vorliegenden CDU-Konzept weniger.

Doch das Problem, wie gesagt, heißt nicht Seehofer. Das Problem aus Sicht der CDU heißt CSU, heißt Stoiber. Da spielt viel alter Unmut mit hinein. Die CDU hat Stoiber als Kanzlerkandidaten gestützt und ihm als Landtagswahlkämpfer den Rücken freigehalten. Das Gefühl ist verbreitet in der CDU-Führung, dass es jetzt mal an dem Bayern-Fürsten wäre, ein bisschen stille zu halten, statt seinen Helfern zum Dank vom 60-Prozent-Ross herab Vorträge darüber halten zu lassen, was sie alles falsch machen.

Auch darum ist der Konflikt nicht einfach dadurch beizulegen, dass ab jetzt wieder alle höflich miteinander umgehen. Der Streit wird ausgefochten werden müssen. Und zwar in der Sache. Tatsächlich, damit schließt sich der Kreis, ist dieses Gefecht ja auch schon im Gange. Es geht der CDU schließlich nicht um Horst Seehofer. Es geht gegen den Kurs, für den er steht.

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