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Meinung: Nahost-Friedensabkommen: Frieden als Munition

Welche Dramatik! Was für Hoffnungsschimmer in letzter Minute!

Welche Dramatik! Was für Hoffnungsschimmer in letzter Minute! Jetzt, da das Schreckensszenario immer wahrscheinlicher wird - der Nahost-Rambo Arik Scharon als israelischer Wahlsieger am 6. Februar -, kommt Bewegung in die Friedensgespräche. Binnen weniger Wochen sei ein Abkommen möglich, frohlockt der Justizminister der Abwahl-bedrohten Barak-Regierung, Jossi Beilin. Von grundlegenden Fortschritten bei den sechstägigen Verhandlungen in Taba sprechen auch die Palästinenser. Israels Außenminister Ben-Ami sieht den Nahen Osten so nahe am Frieden wie noch nie. Erstaunlich, was Zeitdruck so alles möglich machen kann.

Skepsis bleibt geboten. Man ist Kummer gewohnt aus der Region, zumal im jüngsten halben Jahr der Al-Aksa-Intifada mit fast täglichen Schießereien, Mord- und Terroranschlägen, weit über hundert Toten und unzähligen Verletzten. Aber klingt es diesmal nicht glaubwürdig? Ein Friedensabkommen oder wenigstens die greifbare Aussicht darauf, das ist die letzte Chance für Premier Barak, die Wahl doch noch zu gewinnen. Das muss ihn doch kompromissbereit machen. Und liegt es nicht auch im Interesse der Palästinenser, es weiter mit einem Regierungschef Barak zu tun zu haben, der bisher die weitreichendsten Zugeständnisse angeboten hat? Und nicht mit dem Hardliner Scharon, der als Generalstabschef im Libanon-Krieg für die Massaker in den Flüchtlingslagern mit verantwortlich war. Ja, man könnte sich glatt besoffen fabulieren, dass etwas anderes als ein rascher Fortschritt gerade in dieser Situation völlig unlogisch wäre.

Die Realität ist weit nüchterner. Es stimmt, Frieden ist in diesen Tagen nicht nur ein historisches Ziel, sondern harte politische Währung. Genauer: die Aussicht auf Frieden ist wertvolle Wahlkampf-Munition - wenn sich denn Wählerinnen und Wähler davon überzeugen lassen. Um diesen öffentlichen Eindruck kämpfen Baraks Leute, assistiert von Arafats Verhandlungsführern. Das ist das Ziel der Taba-Gespräche und der optimistischen Verlautbarungen an ihrem Ende.

Um Fortschritte in der Sache geht es dagegen kaum noch. Daran hat derzeit weder die eine noch die andere Seite ein Interesse. Für Barak ist das Risiko viel zu groß, dass ihm die für einen Kompromiss nötigen Zugeständnisse als Schwäche ausgelegt werden - und dass er seinem Gegenspieler Scharon unfreiwillig Wahlkampf-Munition liefert.

Aus Arafats Perspektive bringt es wenig, gegenüber einer Regierung Barak nachzugeben, die in neun Tagen womöglich gar nicht mehr an der Macht ist. Dann hätte er seine Trümpfe preisgegeben und doch keine Garantie, dass er den ausgehandelten Gegenwert erhält - weil eine von Scharon beherrschte Regierung und Knesset einen solchen Vertrag nicht ratifiziert.

Die hoffnungsvolle Interpretation der Abschlusserklärung von Taba hält dem Inhalt des Papiers nicht stand. Bei keinem der verbliebenen Streitpunkte kam es zu einer Einigung: Grenzen des Palästinenserstaats, Status von Jerusalem, Ja oder Nein zum Rückkehrrecht für Flüchtlinge. Wahlkampfmunition für Barak wollten die Gesprächspartner in Taba produzieren - mehr als eine Handvoll Platzpatronen ist nicht herausgekommen.

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