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Meinung: Nahost-Konflikt: Abschied von Arafat

Es gab mal einen anderen Arafat: einen, der in Oslo das Existenzrecht Israels anerkannte, um die Tür zum Palästinenserstaat zu öffnen; dafür erhielt er den Nobelpreis. Es gab mal einen, der auf Drängen der USA die Proklamierung der Eigenstaatlichkeit wiederholt verschob.

Es gab mal einen anderen Arafat: einen, der in Oslo das Existenzrecht Israels anerkannte, um die Tür zum Palästinenserstaat zu öffnen; dafür erhielt er den Nobelpreis. Es gab mal einen, der auf Drängen der USA die Proklamierung der Eigenstaatlichkeit wiederholt verschob. Dieser Arafat wurde bewundert, sicher zu Recht, vielleicht zu lange. Doch von diesem Arafat ist seit dem Scheitern von Camp David im Sommer 2000 nichts mehr zu sehen. Intifada und Selbstmordanschläge haben den Israelis den Glauben genommen, dass sie mit Arafat Frieden machen können.

Es ist das Recht der Spätgekommenen, in diesem Fall der Europäer, die Hoffnung hochzuhalten. Im Nahen Osten nimmt der tödliche Kreislauf von Attentat und Vergeltung kein Ende. Die Amerikaner haben die Vermittlungsbemühungen eingestellt, in Israel sieht selbst der unverdrossene Friedensbote Peres in Arafat keinen Partner mehr, auch die arabischen Staaten haben ihm den Rückhalt entzogen und übergehen seine Hilferufe mit Schweigen. Nur die EU ruft nach Intervention, aber sie hat wenig Erfahrung im Nahen Osten. Ihr neuer Ratspräsident, Spaniens Außenminister Josep Piqué, möchte eine Friedenslösung "von außen aufzwingen". Wie soll die aussehen - und wer kann sie durchsetzen?

Europa klammert sich an die Hoffnung der Verzweifelten. Nach den Verträgen von Oslo hat die EU viel Geld in den Friedensprozess und den Aufbau der Autonomiebehörden investiert, die nun von Israel zerstört werden. Sorge muss es ihr jedoch auch bereiten, wenn die von ihr bezahlte Ausrüstung der palästinensischen Sicherheitskräfte dazu missbraucht wird, Israelis zu töten. In diesen Wochen geht zu Bruch, was das Kapital der EU in der Region ausmacht. Mit jedem neuen Anschlag stirbt ein Stück Autonomie - bis nichts mehr bleibt.

Arafat ist zum Frieden nicht fähig - und Ariel Scharon nicht willig. Nichts deutet daraufhin, dass sich das in den nächsten zwei Jahren ändert. Scharon möchte sich als Mann der Härte profilieren; nur so kann er sich im Likud gegen seinen Rivalen Netanjahu behaupten und im Herbst 2003 die Wahl gewinnen.

Und Arafat hat die viel diskutierte Frage, ob er die Gewalt nicht verhindern kann oder nicht will, mittlerweile selbst beantwortet. Seine Fatah begeht Anschläge, nicht nur die Extremisten von Hamas und Jihad. Seine Verwaltung ist verwickelt in die Affäre um das Waffenschiff. Er hat sich zur politischen Größe gebombt - doch als er in Camp David vor der Krönung seines Lebenswerks stand, entschied er sich für den ewigen Kampf und gegen die Staatsgründung.

Arafat fallen lassen - geht das überhaupt? Wer außer ihm verfügt über genug Autorität, um einen Kompromiss im palästinensischen Volk durchzusetzen? Heute ist da niemand - auch wegen Arafat. Und dann ist da die bange Frage, ob nach ihm die Extremisten die Oberhand gewinnen. Doch was besagt das, wenn es auch mit ihm keine Aussicht auf Verständigung gibt? Da setzt man doch besser gleich auf den Generationswechsel. Unter den jüngeren Palästinensern im Sicherheitsapparat gibt es einige, die Arafats Kurs für selbstmörderisch halten. Nur, ohne Unterstützung von außen trauen sie sich den Machtkampf nicht zu.

Darum müsste nun auch die EU Abschied nehmen von einem Mann, der länger Politik macht als jeder andere. Nun muss es einen Generationswechsel geben. Der kostet Zeit. Aber die ist ja auch da: Weil nichts Entscheidendes vorangeht, solange Scharon regiert. Das Friedenslager in Israel wird ohnehin nur dann eine Chance bekommen, wenn es einen Partner auf palästinensischer Seite hat. Keinen wie Arafat.

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