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Meinung: Nahost-Konflikt: Große Erwartung, kleine Chance

Schröders Reise nach Nahost war lange geplant. Lange vor Ausbruch der Gewalt und der Unterbrechung des Friedensprozesses.

Schröders Reise nach Nahost war lange geplant. Lange vor Ausbruch der Gewalt und der Unterbrechung des Friedensprozesses. In der jetzigen verfahrenen Situation werden von allen Seiten große Erwartungen an Schröders Besuch geknüpft - viel größere als der Bundeskanzler es sich bei der Planung der Reise wohl vorgestellt hatte. Überraschend einmütig wünschen sich Israel und Palästinenser mehr deutsches und europäisches Engagement - Ministerpräsident Barak sprach gar von deutscher Vermittlung.

In der Tat liegt das Feld der Nahostvermittlung derzeit brach - bis zur Bildung einer neuen US-Regierung nach den Wahlen vom 7. November ist aus den USA wenig zu erwarten. Doch Deutschland kann keine Vermittlerrolle in dem Konflikt übernehmen. Ein Vermittler müsste Israelis und Palästinensern harte Wahrheiten sagen und ihnen die Linien aufzeigen, die sie nicht übertreten dürfen, um den Prozess wieder in Gang und vielleicht voran zu bringen. Der millionenfache Mord an den Juden, von Deutschen während des Nationalsozialismus begangen, macht deutschen Politikern eine unparteiliche, beiden Seiten gegenüber gleich kritische Haltung noch immer unmöglich. Das Verständnis für die von Israel vorgebrachten Sicherheitsbelange ist immer größer als die Unterstützung der Rechte der Palästinenser. Israelisches Unrecht zu benennen, ist auch einem deutschen Kanzler dieser Generation kaum möglich. Wer in einem Konflikt vermitteln will, braucht ein Mindestmaß an Unbefangenheit - und genau das fehlt den Deutschen, muss den Deutschen gegenüber Israel fehlen.

Und die EU? Es wäre wünschenswert, dass sie sich mehr einmischt, gerade jetzt. Der Grundstein dazu wäre auch gelegt, hat doch der Vertreter der EU-Außen- und Sicherheitspolitik, Javier Solana, in Scharm el Scheich bereits mit am Tisch gesessen. Doch es gibt leider keine europäische Außenpolitik - schon gar nicht in der Nahostfrage. Das haben die Debatten hinter den Kulissen, ob die EU geschlossen für eine israel-kritische UN-Resolution stimmt, gerade erst wieder deutlich gemacht. Kein Wunder - warum sollten ausgerechnet die ehemaligen Kolonialmächte England und Frankreich und das für den Holocaust verantwortliche Deutschland die gleiche Haltung haben?

So wird Gerhard Schröder, wie schon bei seiner Nahost-Reise vom März 1998, die er als niedersächsischer Ministerpräsident kurz nach seiner Kür zum SPD-Kanzlerkandidaten absolvierte, Zurückhaltung üben. Er wird sich auf sein Lieblingsfeld, den Zusammenhang zwischen wirtschaftlichem Fortschritt und Frieden, beschränken. Dazu trägt die Bundesrepublik bereits nach Kräften bei, indem sie die Palästinenser mehr als alle anderen EU-Staaten finanziell unterstützt. Doch die vergangenen sieben Jahre seit Oslo haben gezeigt, dass sich der Konflikt damit nicht wirklich entschärfen lässt. Auch der Glaube, eine palästinensische Wirtschaft unter teilweiser israelischer Besatzung aufbauen zu können, hat sich als illusorisch erwiesen. Schröders Reise von 1998 war bereits als Erfolg verbucht worden, weil der außenpolitische Anfänger damals in keines der zahlreichen Fettnäpfchen in der Region trat. Das reicht unter den jetzigen Umständen nicht. Doch viel mehr kann Schröder nicht leisten.

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