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Nahost-Konflikt: Tunnel am Ende des Lichts

George W. Bush reist nach Israel und zu den Palästinensern, zum ersten Mal als Präsident.

W elche Mischung darf’s denn sein? Vor diese Frage sieht sich jeder US-Präsident gestellt, wenn es um den Nahen Osten geht. Einmischen oder raushalten? Bill Clinton war fürs Einmischen. Vier Mal besuchte er Israel, öfter als Jassir Arafat wurde kein anderes Regierungsoberhaupt im Weißen Haus empfangen. Clinton stürmte und drängte, flehte und drohte, schickte Sondergesandte und lud zu Konferenzen ein. Und was geschah? Nichts. Doch eines: Arafat brach die zweite Intifada vom Zaun. Clinton war blamiert bis auf die Knochen.

Kein Wunder, dass George W. Bush zurückhaltender war. Das aber schien ebenfalls verkehrt. Skandal!, riefen am lautesten jene, die sich sonst jedes Eingreifen des amerikanischen Weltpolizisten verbitten. Der möge gefälligst nirgendwo auf dem Globus intervenieren, mit einer Ausnahme – Israel. Dort solle er „Druck ausüben“ und eine „Lösung erzwingen“. Denn der Nahostkonflikt stehe im Zentrum der Auseinandersetzung zwischen Okzident und Orient, seine Entwicklung entscheide über den Weltfrieden. Also schwenkte Bush um, setzte sich für einen Palästinenserstaat ein, organisierte ein internationales Treffen in Annapolis und fährt nun zu seinem ersten offiziellen Besuch in die Region. Und schon wieder spotten die Kritiker: viel zu spät, reine Show.

Das stimmt wohl auch, aber aus anderen Gründen, als viele meinen. Erstens: Kein US-Präsident kann den Frieden in der Region stärker vorantreiben, als ihn die Beteiligten wollen. Die Anfang der neunziger Jahre in Oslo eingeleitete Versöhnung resultierte aus direkten Geheimgesprächen zwischen Israelis und Palästinensern. Die Amerikaner wurden davon überrascht. Nur wenn die unmittelbar Betroffenen das Gefühl haben, durch Verhandlungen mehr erreichen zu können als durch Panzer, Steine, Scherben, kommt Bewegung in die Sache. Außerdem müssen die Häuptlinge Statur haben. Jitzchak Rabin und Jassir Arafat waren stark. Ehud Olmert und Mahmud Abbas sind schwach.

Zweitens: Der Nahostkonflikt ist nicht das Grundübel in der Region. Die meisten arabischen Länder stagnieren – politisch, gesellschaftlich, ökonomisch. Vor 50 Jahren war das Pro-Kopf-Einkommen in Syrien und Ägypten ungefähr so hoch wie in Südkorea. Heute ist Südkorea eine demokratische Industrienation. Weder die Gründung Al Qaidas noch der Krieg zwischen Irak und Iran (mehr als eine Million Tote), noch der Überfall Saddam Husseins auf Kuwait oder der Aufbau des iranischen Atomprogramms haben mit dem Streit zwischen Israelis und Palästinensern zu tun. Der ist lediglich eine propagandistisch wirksame Ablenkung der arabisch-muslimischen Potentaten für die eigene Misere.

Drittens: Den Weltfrieden gefährdet der Streit nicht. Kein Nachbarland Israels wird sich noch einmal militärisch in den Konflikt einmischen. Die Solidarität mit den Palästinensern erschöpft sich mittlerweile im Einreichen von stets folgenlosen Israel-Verdammungs- Resolutionen bei den UN.

Kann Bush mit seiner Visite den Nahost-Friedensprozess wiederbeleben? Wahrscheinlich nicht. Stört seine Anwesenheit? Nein. Und das ist doch mal eine gute Nachricht.

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