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Nahost: Neue Chancen, neue Spannungen

Die Einigung zwischen Fatah und Hamas bringt Deutschland auf Konfliktkurs zu Israel. Wie soll Berlin umgehen mit der geplanten Übergangsregierung unter Einschluss der Radikalen, da doch die Hamas Gewalt gegen Israel predigt?

Von Hans Monath

In hymnischen Worten hat Außenminister Guido Westerwelle in den vergangenen Monaten über die Chancen gesprochen, die der arabische Frühling für die Region bietet. Dass dieser Umbruch eine ganz besondere Herausforderung für die Urteilskraft bedeutet, an der man auch scheitern kann, weiß die deutsche Außenpolitik spätestens seit dem Streit um die UN-Resolution zur Flugverbotszone über Libyen.

Nun steht die Berliner Diplomatie wieder vor einer Aufgabe, die ihr der arabische Umbruch beschert hat. Denn auch das in Kairo unterzeichnete Versöhnungsabkommen zwischen den verfeindeten palästinensischen Brüdern Fatah und Hamas kam nur deshalb zustande, weil der neue Freiheitswille und das neue Selbstbewusstsein der arabischen Jugend sogar im abgeriegelten Gazastreifen ihre Wirkung entfaltet haben. Auch die radikalislamische Hamas musste reagieren, wenn sie nicht allen Zuspruch verlieren wollte.

Die von der palästinensischen Bevölkerung bejubelte Einigung wirft Grundsatzfragen auf: Wie soll Berlin umgehen mit der geplanten Übergangsregierung unter Einschluss der Radikalen, da doch die Hamas Gewalt gegen Israel predigt und deshalb vom Westen boykottiert wird? Wie soll Deutschland reagieren auf die Drohung der Palästinenser, sich im September in der UN-Vollversammlung in New York einen eigenen Staat anerkennen zu lassen, sofern die Israelis keine Zugeständnisse machen?

Über viele Jahre hinweg hat sich Deutschland als Vermittler im Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern eine Vertrauensposition erarbeitet – unabhängig von der Farbe der Regierung. Die Kontrahenten in Nahost akzeptieren diese Politik, die ihre aus der Geschichte erwachsenen Verpflichtungen gegenüber Israel nie verleugnet.

Das Existenzrecht Israels zu verteidigen, muss aber nicht heißen, die israelische Verweigerung gegenüber den Chancen des Umbruchs in der arabischen Welt zu verteidigen. Das hat Kanzlerin Angela Merkel, zum Unmut von Israels Premier Benjamin Netanjahu, sehr deutlich gemacht: Es braucht Zeichen des Entgegenkommens, damit Israel die Gelegenheit zur Versöhnung mit den arabischen Demokraten nutzen kann. Doch Israels Haltung gegenüber der Versöhnung von Kairo folgt der bisherigen Linie. Einen „Sieg des Terrors" nannte Netanjahu die Einigung.

Das aber kann nicht die deutsche Haltung sein. Denn die Einigung könnte, bei aller Skepsis, den Weg zu Wahlen in den getrennten Palästinensergebieten bahnen, die radikalislamische Hamas langsam verändern und wichtige Voraussetzungen für eine Zwei-Staaten-Lösung schaffen. Das Existenzrecht Israels und der Gewaltverzicht sind wichtige Prinzipien. Wer sie nur als Mauern benutzt, um Veränderungen zum Positiven zu verhindern, wird wenig bewegen. Viel spricht deshalb für die These: Wer diese Ziele in Nahost langfristig stärken will, muss sich nun um eine ebenso offene wie kreative Diplomatie bemühen. Es könnte sich lohnen.

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