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Nahost-Politik: USA beleben neue alte Allianz

Auch wenn es so aussieht: US-Präsident Obama übt momentan keinen Druck auf Israel aus und ist nicht auf Konfrontationskurs wegen der Siedlungspolitik. Im Gegenteil geht er auf Ministerpräsident Netanjahu zu – weil er von den arabischen Staaten enttäuscht ist.

Der Eindruck täuscht. Die USA entsenden in dieser Woche nicht ihr komplettes Nahost-Expertenteam nach Israel, um massiven Druck auf den engen Partner ausuzuüben. Im Gegenteil: Die beiden Regierungen von Barack Obama und Benjamin Netanjahu bewegen sich aufeinander zu. Die schrillen Töne der Konfrontation machen intensiven Gesprächen über Kompromisse und gar Kooperation Platz.

Auch wenn es noch eine größere Verhandlungsrunde über das heikelste Thema geben wird: Obamas ultimativ und kompromisslos gemeinte Forderung nach einem totalen, umfassenden Siedlungsstopp ist offenbar vom Tisch; Netanjahus lächerlicher Vorbehalt – Siedlungsausbau gemäß „natürlichem Wachstum“ – ebenso. Israels rechtslastige Regierung wird keine neuen Siedlungen errichten, auch keine größeren öffentlichen Bauvorhaben in Siedlungen ausführen. Und es wird zumindest der Versuch unternommen, alle 22 illegalen Siedlungsaußenposten zu räumen. Aber es wird, wie zuletzt, in kleinerem Ausmaß weiter gesiedelt werden, mit regionalen Beschränkungen und politischer Rücksichtnahme.

Barack Obama hat nachgegeben, so die israelische Sichtweise, weil er von den arabischen Staaten enttäuscht ist. Sie haben ihrerseits nicht, wie von ihm erhofft, auf die von seiner Regierung erzwungenen israelischen Zugeständnisse – Anerkennung der Zwei-Staaten-Lösung, Verhandlungsbereitschaft ohne Vorbedingungen und praktische Beschränkung des Siedlungsbaus – reagiert. Auch der Aufbau einer politischen Allianz gegen die atomare Bewaffnung des Irans stößt bei ihnen auf Gleichgültigkeit.

Darüber hinaus sieht man auch in Washington jetzt ein, dass die Gründung eines aus dem Gazastreifen und dem Westjordanland gebildeten Staates Palästina so lange ein Ding der Unmöglichkeit bleibt, wie die Hamas-Diktatur im verarmten Gazastreifen wütet – während gleichzeitig das Westjordanland boomt, für palästinensische Verhältnisse zumindest.

Netanjahu wiederum braucht, mehr als alle israelischen Ministerpräsidenten der vergangenen Jahrzehnte, ein gutes Verhältnis zur Regierung in Washington. Es geht ihm um den Iran, dessen Atombomben und die Drohungen eines Mahmud Ahmadinedschad, Israel zu vernichten.

Israel wird wohl nur im äußersten Notfall militärisch gegen Teherans Nuklearpotenzial vorgehen. Allein kann es auf anderem Weg nichts gegen das iranische Atomprogramm erreichen. Das könnte nur die internationale Gemeinschaft, angeführt von den USA. Obama teilt Netanjahus Ansicht, dass eine Atommacht Iran den gesamten Mittleren und Nahen Osten in gefährliche Turbulenzen mit ungewissem Ausgang stürzen würde. Nicht nur Israel ist demnach durch den Iran bedroht, sondern die gesamte arabische Welt.

Folglich ist Netanjahu bereit, in Siedlungsfragen Kompromisse zugunsten amerikanischer Garantien für die politische und wirtschaftliche Bekämpfung der iranischen Atomaufrüstung einzugehen, die für ihn und seine nationalistischen Koalitionspartner unangenehm sind. Obama hingegen muss nun dafür büßen, dass er mit seinem forschen Vorgehen die breite Masse der Israelis Netanjahu in die Arme getrieben hat. Er hat den israelischen Premier unabsichtlich so sehr gestärkt, dass dieser sich seinem Ultimatum verweigern konnte und nun für ihn akzeptable Kompromisse aushandeln lässt.

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