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Die Dürre in den USA lässt die Ernte vertrocknen - und Lebensmittel und Sprit-Preise steigen.

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Nahrungsmittel-Spekulationen: Dürre, Hunger und Benzinpreise

An diesem Wochenende bekommt auch Berlin einen Eindruck davon, wie es sich seit bald drei Monaten in vielen Staaten der USA oder am Mittelmeer anfühlt. Unter der Hitze sind dort die Ernten verdorrt – und die Preise für Biosprit und Futtermittel gestiegen.

Nicht jede Dürre muss auch gleich eine Nahrungsmittelkrise auslösen. Und nicht jede Dürre ist eine Folge des Klimawandels. Aber es sieht ganz danach aus, als ob die Trockenheit im Mittleren Westen der USA mit einiger Wahrscheinlichkeit auf die globale Erwärmung zurückzuführen ist. Gemeinsam mit der Hitzewelle in Italien, Ungarn und Rumänien führt das zu einer dramatisch geringeren Maisernte. Schon jetzt ist der Maispreis stark gestiegen. Als er zuletzt so rasant nach oben ging, gab es in mehreren Ländern der Welt Hungerrevolten und Straßenschlachten. Das war 2008 kurz vor Beginn der Weltfinanzkrise. Damals hatte der auf Rekordhöhen gestiegene Ölpreis entscheidenden Anteil an den steigenden Lebensmittelpreisen.

An diesem Wochenende bekommt auch Berlin einen Eindruck davon, wie es sich seit bald drei Monaten in vielen Staaten der USA oder am Mittelmeer anfühlt. Unter der Hitze sind dort die Ernten verdorrt – und die Preise für Biosprit und Futtermittel gestiegen. Genau diese Kopplung der Agrarmärkte an den Ölpreis durch den weltweit wachsenden Anteil an Agrartreibstoffen, macht die Lebensmittelpreise zu einer zunehmend schwer kalkulierbaren Größe. Das wiederum macht diese Märkte für Spekulanten interessant. Für die Nahrungsmittelsicherheit, das zeigt die Geschichte der vergangenen vier Jahre seit der jüngsten weltweiten Krise der Lebensmittelpreise, ist die Globalisierung kein Segen.

Entwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) hat nun gefordert, den mit zehn Prozent Ethanol – aus Mais, Zuckerrohr oder anderen Agrarrohstoffen – versetzten Sprit E 10 vom Markt zu nehmen. Sein Argument: Die Pflanzen im Tank können nicht mehr auf den Tellern der Hungrigen landen. Mal abgesehen davon, dass das nicht unbedingt die gleichen Pflanzen sind: damit hat er recht – und auch nicht. Die EU hat mit ihrem Anforderungskatalog an Biosprit die Produktion weltweit schon klimafreundlicher und sozial verträglicher gemacht. Allerdings lässt sich auch nicht leugnen, dass durch den Anbau von Energiepflanzen der Nahrungs- und Futtermittelproduktion Flächen verloren gehen. Doch die Dynamik dieser Flächenkonkurrenz ist durch die weltweit steigende Nachfrage nach Milchprodukten, Fleisch und nicht zuletzt Getreide als Nahrung für Menschen viel stärker beschleunigt worden als durch die nunmehr seit Jahren umstrittenen Agrartreibstoffe. Wegen des Streits um den Biosprit hat dieser Markt etwas an Tempo verloren.

E 10 ist also nur ein relativ bescheidener Baustein in der Problemkette, die in der Sahelzone ganz aktuell zu einer dramatischen Hungerkrise geführt hat. Die Probleme werden aber noch zunehmen. In Ostafrika sieht die Lage nur wenig besser aus als vor einem Jahr, als die Bilder hungriger somalischer Flüchtlinge um die Welt gingen. Denn inzwischen sind sich die Wetterforscher nahezu einig, dass ein El Nino im Anmarsch ist. Das pazifische Wetterphänomen bringt die Regenzeiten weltweit durcheinander und löst regional entweder Hochwasserkatastrophen oder Dürren aus, wie nun gerade im bereits gebeutelten Ostafrika.

Es spricht einiges dafür, Agrarrohstoffe nicht in Tanks zu stecken. Es spricht noch mehr dafür, weniger Milchprodukte und Fleisch zu sich zu nehmen. Das ist gesünder – und macht mehr Menschen satt. Doch eine Garantie für sinkende Lebensmittelpreise ist das nicht.

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