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Nahverkehr: Wie geht es weiter bei der Berliner S-Bahn?

Tagesspiegel-Leser Jürgen Mäser fordert vom Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg einen Berlin-Tarif ohne Nutzung der pannenreichen S-Bahn. VBB-Geschäftsführer Hans-Werner Franz hält das für keine gute Idee.

Jürgen Mäser aus Berlin-Kaulsdorf zum Artikel „Für neue S-Bahnen wird die Zeit knapp“ vom 21. Juni

Die Berliner S-Bahn zeichnet sich im Vergleich zu allen anderen inländischen S-Bahn-Systemen, die übrigens auch im Konzern Deutsche Bahn betrieben werden, nicht nur durch grob fahrlässiges und vermutlich auch vorsätzliches Missmanagement aus. In Berlin sind zudem die Ansprüche des Nutzers an Komfort und Qualität in höchstem Maße außen vor gelassen. Dies stellt der Fahrgast nicht nur am ausgedünnten Fahrplan fest, sondern auch dann, wenn die Außentemperaturen sommerlich sind und die Bahnen stark besetzt. Die Baureihe 485 als modern zu bezeichnen ist eine Farce. Ohne effektive Lüftung, von Klimaanlage nicht zu reden, ist jede Fahrt eine Qual. Der VBB sollte optional einen Tarif Berlin ohne Nutzung der S-Bahn anbieten. Bei der BVG sind seit Jahren Busse und Straßenbahnen nicht nur zu einem großen Teil klimatisiert, nein, sie sind sogar zu jeder Jahreszeit auch zuverlässiger. Der Berliner S-Bahn würde es als senatseigenes Unternehmen mit Sicherheit besser gehen.

Hans-Werner Franz, Geschäftsführer der VBB Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg GmbH, antwortet:

Lieber Herr Mäser,

ich bin vollkommen bei Ihnen, die Situation bei der S-Bahn Berlin GmbH, einst Rückgrat des Nahverkehrssystems in der Hauptstadtregion, ist nach wie vor unbefriedigend. Auch wenn die Debatte in der Öffentlichkeit abgenommen hat, die S-Bahn befindet sich nach wie vor mitten in der Krise: Noch immer werden nicht einmal 80 Prozent der von Berlin und Brandenburg bestellten „Viertelzüge“ angeboten, noch immer werden ganze Linien (S45 und S85) gar nicht erst bedient, noch immer wird beispielsweise Teltow-Stadt nicht so angefahren, wie wir uns das vorstellen. Dennoch, wir bleiben fair: Die neue S-Bahn-Geschäftsführung ist nun seit zwei Jahren im Amt und mein Eindruck ist, dass ein anderer Wind im Unternehmen weht, auch wenn die Rückkehr zum bestellten Verkehrsangebot nicht so schnell, wie wir uns das vorstellen und von der S-Bahn Berlin GmbH zugesagt, vonstatten geht. Die Mitarbeiter leisten ohnehin seit Jahr und Tag gute Arbeit, um Stück für Stück wieder zu alter Qualität zurückzufinden.

Doch bis heute ist nicht klar, wann das vollständige Angebot wieder gefahren werden kann. Schon jetzt ist absehbar, dass bis zum Winter die von Herrn Dr. Grube versprochenen 500 Viertelzüge nur unter größten Anstrengungen der S-Bahn Berlin GmbH und unter erheblichem Risiko zu erwarten sind. Bürgerinnen und Bürger, Wirtschaft und die Gäste aus aller Welt leiden unter der aktuellen Situation. Ein Satz zur Klimatisierung: Darüber muss man in der Tat nachdenken. Grundsätzlich liegt dieses Komfortangebot im Ermessen der S-Bahn, im Sinne ihrer Fahrgäste Verbesserungen vorzunehmen.

Höflich, aber kompromisslos widerspreche ich Ihnen, die S-Bahn sozusagen aus dem VBB-Tarif auszuschließen! Es ist gerade eine historische Leistung, dass im Einigungsvertrag die Gründung eines Verkehrsverbundes mit einem einheitlichen Tarif für Berlin und Brandenburg festgeschrieben wurde. Seit dem Jahr 2000 verzeichnet der VBB bei seinen 41 Verkehrsunternehmen fast 20 Prozent mehr Fahrgäste, insgesamt rund 3,5 Millionen pro Tag, die Zahl der Pendler nach Berlin ist um 35 Prozent gestiegen, nach Brandenburg um 28 Prozent. Diese Zahlen sind ohne den Beitrag der S-Bahn undenkbar.

Zudem haben Bund, Länder und S-Bahn Berlin GmbH erhebliche Summen in die Grunderneuerung des S-Bahnnetzes und der Fahrzeugflotte als integrierter Teil des ÖPNV-Angebotes in Berlin und Brandenburg investiert. Unter uns: Wir lassen uns vom vergangenen Missmanagement und überzogenen Gewinnstreben von ein paar Managern nicht unsere S-Bahn kaputt machen! Wir müssen vielmehr nach vorn schauen. Viele fragen sich, wie es mit dem System Berliner S-Bahn weitergeht. Das ist eine Frage, die nur politisch beantwortet und nur von den zuständigen Entscheidungsträgern beschlossen werden kann.

Es gibt verschiedene Alternativen für die Zeit nach Auslaufen des Vertrages 2017: Die Ausgangsposition, dass man nur einen Fahrzeugeigentümer hat und dass man nicht von jetzt auf gleich neue Züge am Laden an der Ecke kaufen kann, muss man akzeptieren. Die angespannte Haushaltslage ist zudem zu berücksichtigen. Eine Möglichkeit besteht darin, ein Teilnetz auszuschreiben, auch, um die Chance zu erhalten, die Abhängigkeit vom bisherigen Monopolisten zu verringern. Der VBB hat auf diese Weise im Regionalverkehr große Erfolge erzielt, im Ergebnis stieg die Qualität signifikant, bei sinkenden Kosten. Eine weitere Option ist, dass das Land die Beschaffung der Fahrzeuge bereits jetzt vorbereitet und beauftragt.

Die Verkehrsleistung kann dann zu einem späteren Zeitpunkt vergeben werden. Zeitweise wurde durch die Deutsche Bahn erwogen, die Fahrzeuge zu beschaffen. Allerdings mit eingebautem Blankocheck – vollkommen unverbindlich, zu unvertretbaren Risiken für die Steuerzahler. Weiterhin ist die Direktbeauftragung an eine landeseigene Gesellschaft denkbar. Welche Entscheidung man auch wählt, sie muss im Sinne der Fahrgäste, aber auch der Steuerzahler gefällt werden. Die Qualität bei der S-Bahn, zu einem angemessenen Preis, das muss Priorität haben. Dafür werde ich mich weiterhin mit meiner ganzen Kraft einsetzen.

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