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Meinung: Nasrallahs Traum

Israel droht die Medienschlacht im Libanon zu verlieren Von Igal Avidan

Alles könnte so einfach sein: Auf einer eilig einberufenen Pressekonferenz in Tel Aviv verkündete Verteidigungsminister Amir Peretz den israelischen Sieg und zugleich das Ende der Militäroffensive. Der Führer der Terrororganisation Hisbollah, Scheich Hassan Nasrallah, habe in seinem Bunker Selbstmord begangen, die Hisbollah habe sich aufgelöst, deren Führung nach Iran geflohen, die israelischen Geiseln seien auf dem Weg in die Heimat, die dankbare libanesische Regierung bereite ein Friedensabkommen mit Israel vor.

Soweit die Traumvorstellungen von einem Endsieg im Libanon. Der israelische PR-Berater, der diese massive Militäroffensive „Operation Angemessener Preis“ nannte, wusste anscheinend sehr wenig über Europa. Die israelischen Opfer des Krieges verschwanden fast völlig von den Bildschirmen zugunsten der zahlreichen libanesischen Opfer. In den Abendnachrichten dominieren längst die libanesischen Flüchtlinge. Drei Viertel der Deutschen halten nach einer neuen Umfrage die militärische Offensive der israelischen Armee im Libanon für unangemessen.

Israel muss daher diesen Krieg rasch beenden, egal wie berechtigt er ist, um die Medienschlacht nicht zu verlieren. Die Liquidierung Nasrallahs wäre dafür geeignet. Deswegen warfen israelische Flugzeuge nicht weniger als 23 Tonnen Bomben auf den Bunker, in dem er sich befinden sollte – vergeblich. Dabei ist Nasrallah nicht nur ein viel gefährlicherer Terrorist als sein Vorgänger Abbas Musawi, den Israel 1992 liquidierte. Der Schiitenführer führt zwar den Libanon in die Katastrophe, wird aber wie ein panarabischer Held gefeiert.

Auch wenn Nasrallah getötet wird, was eher unwahrscheinlich ist, wird die Hisbollah dadurch nicht zerschlagen. Denn die „Gottespartei“ ist nicht nur eine Terrororganisation, sondern auch eine große Volksbewegung, die mit militärischen Mitteln nicht auszuradieren ist. Die zu Recht zornigen Libanesen werden sicherlich nicht im Dienste Israels stehen und einen Bürgerkrieg mit der Hisbollah riskieren. Die libanesische Armee auch nicht.

Die Hisbollah ist noch so stark, dass nun die libanesische Regierung für die Schiitenmiliz für einen Gefangenenaustausch vermitteln wird, gleichzeitig aber keine eigenen Entscheidungen treffen darf. Durch diese Vereinbarung macht Nasrallah deutlich: Die Hisbollah ist ein libanesischer Akteur und kein Handlanger Irans.

Das israelische Ziel nach dem „Elfmetersieg“ über die Hisbollah wird darin bestehen, den begrenzten militärischen Erfolg als einen großen Sieg zu vermarkten. Israel hat zwar rund 2000 Raketen vernichtet, aber die Hisbollah verfügt über weitere 8000 (mehr als 2000 Raketen wurden bereits abgefeuert). Da verkündet ein hochrangiger Militär, dass Israel nicht alle Raketen vernichten, sondern Bedingungen schaffen wolle, die einen solchen Abschuss verhindern. Meint er etwa die Schaffung einer Pufferzone von 20 Kilometern im Südlibanon, die Israel fordert? Dies wird jedoch das Risiko der Raketenangriffe höchstens begrenzen. Denn die Raketen der Hisbollah schlugen bereits bis zu 50 Kilometer von der Grenze entfernt ein. Oder verlässt er sich auf die Stationierung einer „robusten“ multinationalen Truppe im Südlibanon? Die mag vielleicht effektiver handeln als die 2500 UN-Truppen, die dort seit 1978 völlig hilflos agieren. Aber werden die europäischen und ägyptischen Soldaten die Guerilla-Krieger der Hisbollah entwaffnen, womit sogar die Israelis scheiterten? Dabei ist deren massive Schwächung essentiell, damit die Israelis wieder in Sicherheit leben und damit die israelische Regierung sich ihrem Hauptanliegen widmen kann: der weitgehenden Räumung des Westjordanlandes.

Der Autor ist Deutschland-Korrespondent des israelischen Nachrichtenmagazins Jerusalem Report.

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