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Nazi-Leaks: Gleiche Rechte für Rechte

Die Hackergruppe Anonymous stellt im Netz neuerdings Unterstützer der rechten Szene an den digitalen Pranger. Das ist mittelalterlich.

Von Anna Sauerbrey

Das „Nationale Versandhaus“ ist einer der Ausstatter der rechten Szene. Hier gibt es Stiefel, Mützen und Flaggen, oder, für den dezenten Rechten, „Gesinnungsknöpfe“. Beim Klicken durch den Katalog sieht man sie vor dem inneren Auge aufmarschieren, all die „Treu dem vereinten deutschen Vaterland“-Aufnäher, befestigt an stolzen Neonazi-Brüsten. Da kann einem leicht schlecht werden.

Dass es in Deutschland eine starke rechte Szene gibt, ist ein deprimierendes Faktum und der Impuls, dagegen etwas zu tun, verständlich. Nun hat die Hackergruppe Anonymous der Szene den Kampf angesagt und einen Online-Pranger errichtet, auf dem sie lange Listen von Unterstützern der Rechten sammelt. Darunter ist neben Personen, die an die NPD gespendet haben sollen, auch eine Datei mit Kunden des „Nationalen Versandhauses“, komplett mit Name, Post- und E-Mailadresse.

Durch das „Leaken“, das Öffentlich-Machen ansonsten nicht zugänglicher Informationen, soll Transparenz hergestellt werden. Das schrieb sich schon Julian Assange, der Gründer von Wikileaks, auf die Fahnen, und ihm folgen Anonymous nach. Transparenz ist das Zauberwort der schönen, neuen, (selbst-)gerechten Internetwelt, gefordert wird sie von Politikern, Journalisten, Behörden. Jetzt soll auch die rechte Szene so richtig durchsichtig gemacht werden.

Doch schon bei Assange zeigte sich eine Radikalität, die die Rechte des Einzelnen missachtete. Assange nahm in Kauf, dass Informanten, deren Namen sich in den von Wikileaks veröffentlichten Depeschen fanden, in Gefahr gerieten. Anonymous nimmt in Kauf, dass Menschen, die mit der rechten Szene wenig oder nichts zu tun haben, die vielleicht nur einmal eine Deutschlandfahne bestellt haben, gebrandmarkt werden.

Auch ganz grundsätzlich verbietet sich das Anprangern von Menschen. In keinem Mittelalterfilm darf es fehlen, das grausige Holzgerüst auf dem Marktplatz, durch das Übeltäter Kopf und Hände stecken mussten – und mittelalterlich ist auch sein Zweck. Das Ziel des Prangers war zwar das Herstellen von Öffentlichkeit. Doch eben gerade nicht im Sinne von Transparenz, sondern als Strafe, zur Abschreckung und Bloßstellung, zum Unterdrücken von Meinungen.

Der Pranger 2.0 ist auf grausame Weise effektiv, viel effektiver als sein mittelalterlicher Vorgänger. Was Technik möglich macht, zeigt ein Beispiel aus den USA. Hier erstellten Befürworter der Schwulenehe in Kalifornien 2009 eine Karte, auf der die Wohnorte von Gegnern der Legalisierung gleichgeschlechtlicher Ehen verzeichnet waren. Die verzeichneten Personen hatten für ein Referendum gegen die Schwulenehe gespendet, und die Namen politischer Spender werden in den USA veröffentlicht. Jeder konnte mit einem Klick die Ansichten seiner Nachbarn kontrollieren.

Anonymous selbst ist namenlos. Bei öffentlichen Auftritten tragen die Aktivisten Masken. Die Gruppe argumentiert, dass Anonymität wichtig ist, um die Freiheit politischer Meinungsäußerungen zu schützen. Da haben sie recht. Und dieses Recht muss für alle gelten, egal, wie viel Übelkeit man dabei verspürt.

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