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Nazi-Stereotype in der Euro-Krise: Hitler-Vergleich hilft bei der Krisenbewältigung

In der Euro-Krise werden Nazi-Stereotype hervorgekramt, jetzt wieder in Zypern. Das ist zwar verletzend und ungerecht. Doch die Deutschen müssen die Richtung angeben – und da hilft es mehr, als dass es schadet, wenn die Südeuropäer der Kanzlerin den Bart anmalen dürfen.

Als die Briten ihre Leute 1944 auf die Besetzung Deutschlands vorbereiteten, hieß es in den entsprechenden Instruktionen des Foreign Office zum deutschen Wesen: „Die Deutschen haben tiefsitzende Komplexe, dazu gehört die Herrschsucht. Gleichzeitig aber leiden sie unter ständigem Verfolgungswahn.“

Die Charakterstudien, die heute in Griechenland, Zypern, Spanien oder Italien über die Deutschen angestellt werden, sehen ähnlich aus. Viele Deutsche sind deshalb beleidigt. Sie erwarten, dass die europäischen Freunde sich anständig benehmen, wenn Deutschland schon den größten Posten der Rechnung bezahlen soll. Sie haben unrecht. Denn das Hitler-Stereotyp entlastet nicht nur die Südländer. Es hilft auch den Deutschen, mit der Krise klarzukommen.

Es stimmt schon, es ist ehrabschneidend, verletzend und ungerecht, wie wir im Moment von unseren europäischen Nachbarn charakterisiert werden. Denn Deutschland hat aus seiner Geschichte gelernt. Es ist auch wenig erfreulich, dass Länder wie Luxemburg den Chor genüsslich verstärken. Schließlich können die Luxemburger nur deshalb die generösen echten Europäer geben, weil Deutschland den bösen Buben macht. Und noch ekelhafter ist es, immerzu mit dem kleinen schwarzen Bart dargestellt zu werden

Deutschland hat sich jahrzehntelang zu Recht fast klaglos in die Rolle des gutmütigen und manchmal auch dummen Riesen gefügt, dem die Zwerge sagen, wo es langgeht. Nun aber müssen die Deutschen die Richtung angeben – und da hilft es mehr, als dass es schadet, wenn die Südeuropäer der Kanzlerin den Bart anmalen dürfen.

Zwar nutzen auch in Deutschland sowohl die Linke als auch die radikalen Euro-Gegner die Kritik an der Rettungspolitik, um den Euro-Kurs der Bundesregierung infrage zu stellen. Doch schaden tut das der Regierung nicht, im Gegenteil: Je mehr der Süden Angela Merkel kritisiert, desto beliebter wird sie in den Umfragen unter deutschen Wählern. Das hat seinen Grund einerseits in dem Bedürfnis, sich gegen ungerechte und unfaire Vorwürfe wehren zu dürfen und die Betroffenen in Schutz zu nehmen. Und andererseits hat man bei allem Ärger dann doch ein gutes Gefühl: So schlecht kann der Deal, ein nicht systemrelevantes Land vor dem Bankrott bewahrt zu haben, am Ende doch nicht gewesen sein. Beides sind kleine Fluchten vor der bitteren Realität.

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