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Asylbewerber in einem Flüchtlingsheim in Brandenburg.

© dpa

Neue gemeinsame Asylpolitik: Europa muss den Flüchtlingen helfen

Die EU hat ein neues gemeinsames Asylsystem beschlossen. Das ist richtig, auch wenn es nicht weit genug geht. Denn Europa muss das Versprechen einhalten, dass es Menschen von außen Schutz bietet, wenn diese um Hilfe bitten.

Die Herausforderung ist enorm. 332 000 Menschen haben vergangenes Jahr in der Europäischen Union Asyl beantragt. Europa bleibt damit trotz Krise ein Zufluchtsort. Europa gibt dabei ein scheinbar simples Versprechen: Schutzsuchende sollen in allen EU-Ländern die gleichen Chancen haben und dabei menschlich behandelt werden. Doch die Realität sieht anders aus. Menschen werden in einem Land abgewiesen, in einem anderen wären sie aufgenommen worden. Immer weniger Flüchtlinge erreichen die Länder in der Mitte und im Norden Europas, dafür sind im Süden die Auffanglager überfüllt. In manchen Ländern herrschen Standards, die in anderen nicht einmal den Mindestanforderungen entsprechen. Trotzdem kann Europa an diesem Versprechen beweisen, dass eine gemeinschaftliche Vision seine Politik bestimmen kann.

Denn die EU hat es endlich geschafft, die Standards für alle Mitgliedsländer anzugleichen: vom Prüfungsverfahren über die Aufnahme bis zur Integration. Um dieses „gemeinsame Asylsystem“ haben sie 14 Jahre gerungen. Die lange Zeit kann man kritisieren, verwundern sollte sie nicht. Denn in der Asylpolitik stehen sich wie in vielleicht keinem anderen Politikfeld Nationalinteressen und gemeinsame moralische Werte konträr gegenüber. Das nationale Interesse an Flüchtlingen ist schnell erklärt: Die Staaten wollen sie nicht. Zuwanderung ist in den meisten Ländern – auch in Deutschland - innenpolitisch hochsensibel und angstbesetzt. Wer Fachkräfte aufnehmen will, der kann zumindest noch mit deren ökonomischem Nutzen argumentieren. Flüchtlinge dagegen kosten Geld und brauchen Zuwendung.

Gegen die Interessen steht die gemeinsame Verantwortung. Beim Asyl sind moralische Werte die treibende Kraft. Mit einheitlichen Standards kann der Verbund gerechter handeln als die Einzelstaaten. Zwar bringt der Kompromiss meist nicht den höchsten Standard, doch verhindert er Willkür. Europa hat sich als Gemeinschaft der Genfer Konvention verpflichtet, deren Ziel es ist, verfolgte Menschen in eine Ordnung zu integrieren, „die ihnen die verlorene Heimat in juristischer Hinsicht ersetzt“. Das Wort Heimat ist bewusst gewählt, es bedeutet mehr als Essenspaket und Zeltdach.

In wirtschaftlich schwierigen Zeiten haben Menschenrechte oft nicht höchste Priorität. Daher ist es umso wichtiger, dass die EU inmitten der Euro- und Schuldenkrise gemeinsame Regeln festklopft und damit klarer definiert, wer ein Flüchtling ist. Das schafft mehr Rechtssicherheit. Die viel kritisierten Schnellverfahren soll es zwar weiter geben, doch Minderjährige und Folteropfer bekommen mehr Zeit und Unterstützung – gegen den Widerstand Deutschlands – und Bewerber dürfen nach neun Monaten arbeiten.

Kritikwürdig bleibt, dass jedes Land unabgestimmt entscheiden kann, in welche sogenannten sicheren Drittstaaten es Flüchtlinge ohne Prüfung ihrer Anträge zurückschicken kann. Eine einheitliche Liste wäre notwendig. Die Lasten zwischen Nord und Süd bleiben ungleich verteilt und die Umsetzung der Regeln müsste stärker überwacht werden.

Dennoch kann Europa stolz sein. Es hat gemeinsame Standards formuliert. Es heißt oft, die europäische Erzählung eines Kontinents in Frieden sei 60 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg auserzählt. Das ist falsch. Europa muss den Blick weiten. Das Versprechen einhalten, dass es nicht nur Europäern Schutz und Sicherheit bieten kann, sondern gerade auch denen, die um Hilfe und Aufnahme bitten.

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