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Neuer Großflughafen BER: Flugrouten: Laute Proteste, stilles Glück

Die nun vorgeschlagenen Routen weichen deutlich von dem ab, was 2010 vorgestellt worden war und damals zu Recht Empörung ausgelöst hat, meint Gerd Appenzeller. Wer behauptet, dass sich die Diskussion nicht gelohnt hat, ist faktenblind oder steckt voller Vorurteile.

Nein, wir sollten nicht schon wieder damit anfangen, dass Schönefeld der falsche Platz für einen Flughafen sei und daher sofort die Nachfolgeplanung für Sperenberg beginnen müsse. Die Entscheidung, die 1996 mit der Standortwahl fiel, ist nicht revidierbar. Viele, die sie heute beklagen, haben damals andere Optionen blockiert. In Schönefeld sind mehr als zwei Milliarden Euro verbaut worden. 60 Prozent der Summe flossen in das hiesige Baugewerbe und lösten einen regionalen Boom aus. Am 3. Juni wird der neue Airport im Süden Berlins den Betrieb aufnehmen. Und nun wissen wir auch, auf welchen Luftwegen die An- und Abflüge erfolgen.

Die vorgeschlagenen Routen weichen deutlich von dem ab, was in dieser Zeitung am 7. September 2010 als erste Planung der Deutschen Flugsicherung vorgestellt worden war und was damals völlig zu Recht eine Lawine der Empörung ausgelöst hat. Wer jetzt behauptet, dass sich die ganze Diskussion nicht gelohnt hat, ist entweder faktenblind oder steckt voller Vorurteile. Vor anderthalb Jahren setzten sich Sprecher, sowohl von Air Berlin als auch von Lufthansa, sofort nach der Bekanntgabe der Planung für Flugrouten ein, die um die Stadt führen. Mit neuesten geräuscharmen Triebwerken und satellitengestützter Navigation wollten die Gesellschaften zur Lärmminimierung beitragen. Dass die Flughafengesellschaft ihrerseits durch eine prohibitive Gestaltung der Start- und Landegebühren und Flugverbote in den Randstunden die Zahl der lauten Maschinen verringert, muss man den Verantwortlichen abverlangen.

Anders als über dem Wannsee – wo man sich den Fluglärm mehr einbilden muss als dass man ihn hören kann – wird es in der Müggelseeregion künftig lauter sein. Das liegt nicht an einem bösartigen Ost-West-Konflikt, sondern an der Topografie. Der Flughafen ist 26 Kilometer vom Wannsee, aber nur acht vom Müggelsee entfernt. Die mehr als 11 000 Einwohner von Erkner werden dankbar sein, wenn sie durch die aufgefächerte Routenplanung entlastet werden. Dass die Betreiber des Flughafens tagsüber die Kapazitäten eines parallelen Start- und Landebetriebs ausnutzen werden, liegt genauso auf der Hand wie die Schlussfolgerung, dass man in verkehrsarmen Zeiten nur die Piste betreibt, von der aus, je nach Windrichtung, die geringste Lärmbelästigung für bewohnte Regionen ausgeht.

Um Fluglärm hatte sich die Flugsicherung bei ihren ersten Vorschlägen aber kaum gekümmert. Ihr war es im Sommer 2010 vor allem darum gegangen, mit möglichst wenig Personal möglichst viel Verkehr sicher abzuwickeln. Sicherheit ist selbstverständlich die oberste Priorität geblieben, aber die Gesundheit der Menschen am Boden kommt jetzt gleich danach. Wenn nun lautstark beklagt wird, einzelne Stadtregionen könnten künftig in einer Höhe von 2400 Metern überflogen werden, sind wir einer Hysterisierung der Debatte sehr nah. Wer hier Schutz vor etwas fordert, was kaum messbar ist, verhöhnt jene, die künftig wirklich vom Lärm betroffen sind – und die gibt es in deutlich größerer Zahl, als man lange geglaubt hat. Um deren Schutz muss es nun vor allem gehen, wenn die ersten Erfahrungen mit der Realität ab Juni gewonnen werden.

Glücklich schätzen können sich vom Sommer an mehr als 100  000 Nord- und Nordostberliner, deren Häuser in Reinickendorf und Pankow in geringer Höhe von den Tegel ansteuernden oder verlassenden Maschinen überflogen wurden. Aber deren Entlastung scheint in all der Hektik überhaupt keine Rolle zu spielen.

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