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Meinung: Neuer Job, gleiche Aufgabe

Wer tritt das schwerere Erbe an: Clement in Berlin oder sein Nachfolger in Nordrhein–Westfalen?

Von Jürgen Zurheide

Gerhard Schröders Ruf als Erneuerer drohte schon zu verblassen. Rings um die Koalitionsverhandlungen wurde nicht mehr über Reformen für Deutschland geredet, statt dessen hatten die Begriffe Steuererhöhung und Blockade Konjunktur. Seit dem vergangenen Wochenende ist das anders. Allein die Spekulationen über Wolfgang Clements Wechsel nach Berlin haben die Achse der Debatte verschoben und inzwischen reiben sich viele verwundert die Augen. Schröder hat Clement tatsächlich an die Spree gelockt und gleichzeitig hat man in Rekordzeit in Düsseldorf einen Nachfolger installiert, dem ebenfalls der Ruf vorauseilt, ein Vertreter der Abteilung Reformen zu sein. Der Deutschland AG wäre zu wünschen, dass es sich bei beiden Operationen nicht nur um schlichte PR-Gags handelt, deren Halbwertzeit kürzer ist als die Nachwirkungen hoher Einschaltquoten.

Dabei weiß man nicht einmal, wer das schwerere Erbe antritt. Clement muss in Berlin vieles gelingen, was er in den vier Jahren seiner Düsseldorfer Amtszeit nicht geschafft hat. Er muss eine gute Hand für die Auswahl des Personals beweisen, er muss zwei überaus eigenständige Apparate bändigen und endlich Bedingungen für mehr Arbeit in Deutschland zu schaffen. Peer Steinbrück wird in Düsseldorf all das vollenden müssen, was Clement dort noch nicht gelungen ist: der alte Ministerpräsident hat viele Baustellen hinterlassen: Da sind die hohe Arbeitslosigkeit, die hohen Schulden und zum Beispiel ein noch nicht durchfinanziertes Hochglanzprojekt wie der Metrorapid, von dessen Gelingen ganz erheblich die Wiederwahl der SPD im Jahre 2005 abhängen wird. Steinbrück ist ein Politiker mit Erfahrung, fraglich dennoch, ob er Autorität und Mut genug hat, auch unpopuläre Entscheidungen zu treffen.

Beide Personalentscheidungen sind für die Sozialdemokraten erstaunlich. Obwohl doch nicht zuletzt Gerhard Schröder im Wahlkampf eine linke Rethorik gepflegt hat, drückt er sowohl in Berlin wie in Düsseldorf Vertreter der so genannten „neuen Mitte“ durch. Und weder in der Bundeshauptstadt noch am Rhein regt sich vernehmbarer Widerstand. Dafür kann es zwei Gründe geben: Der Kanzler ist inzwischen so stark, dass ihm niemand zu widersprechen wagt. Oder die Genossen haben doch begriffen, dass wir in Deutschland Reformen brauchen.

Was bei diesem Prozess ganz oben auf der Agenda steht, ist auch klar. In Berlin muss das Hartz-Konzept ohne Abstriche durchgesetzt werden, und gleichzeitig muss eine Finanzreform auf den Weg gebracht werden, die den Ländern wieder Luft zum Atmen gibt. Dabei könnte Clement auch gleich einen Fehler korrigieren, den er in den vergangenen Wochen gemacht hat: Bevor der Staat nach neuen Steuern schreit, muss er erst einmal beweisen, dass er mit dem Geld der Bürger vernünftig umgeht, immerhin liefern die Bürger fast jeden zweiten Euro in irgendeiner Zwangskasse ab.

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