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Sieger der Präsidentschaftswahlen in Kenia: Uhuru Kenyatta.

© AFP

Neuer Präsident in Kenia: Angeklagter an der Macht

Die Kenianer haben mit Uhuru Kenyatta einen politischen Paria zum Präsidenten gewählt. Das Land sollte aber nicht isoliert werden.

Uhuru Kenyatta hat die Präsidentschaftswahl in Kenia gewonnen – und stellt damit sich selbst, sein Land und die westlichen Demokratien vor schwierige Entscheidungen. Für Kenia wird das zum Stresstest für die neuen Institutionen des Landes; für Europa und die USA zum Realitätstest für ihre Afrikapolitik.

Uhuru Kenyatta, 51-jähriger Sohn des ersten Präsidenten Kenias nach der Unabhängigkeit und Angeklagter vor dem Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag, hat die Wahl knapp gewonnen. 50,07 Prozent der Stimmen haben ihn im ersten Wahlgang zum Präsidenten gemacht. Lediglich etwa 4000 Stimmen trennen ihn von einer Stichwahl gegen seinen Hauptrivalen Raila Odinga, Premierminister und Sohn des ersten Vize-Präsidenten Kenias nach der Unabhängigkeit. Odinga zieht nun vor Gericht, weil er Unregelmäßigkeiten vermutet. Ob seine Argumente gut genug sind, hat das Oberste Gericht zu entscheiden.

Noch ist Kenia nicht aus der Gefahrenzone heraus. Je nach Ausgang des Gerichtsverfahrens sind spontane oder geschürte Unruhen wie vor fünf Jahren nicht ausgeschlossen. Dennoch steht Kenia heute an einem anderen Punkt als damals. Die neue Verfassung hat Vertrauen in staatliche Institutionen wieder möglich gemacht. Es gibt eine klare Gewaltenteilung und weniger Macht in einer Hand. Dieses Mal hat Raila Odinga nicht zu Massenprotesten aufgerufen, weil er sich betrogen fühlt, sondern zieht vor Gericht. Das ist ein gewaltiger zivilisatorischer Fortschritt, für den sich fast das ganze Land eingesetzt hat. Das durch das technische Versagen elektronischer Wählerlisten und Zählsysteme ausgelöste Chaos dürfte für Odinga die letzte Chance sein, noch Präsident zu werden.

Kenyatta als Präsident ist für die westliche Diplomatie ein Albtraum. Sollte er nun nicht mehr mit dem IStGH kooperieren und Kenia zum Austritt aus dem Gerichtshof drängen, müsste die westliche Diplomatie scharf und wirkungsvoll reagieren. Sonst wäre das Gerede über „gute Regierungsführung“, „Rechtsstaatlichkeit“ und die „Menschenrechte“, auf der die Afrikastrategien angeblich beruhen, als leeres Geschwätz entlarvt.

Auf der anderen Seite ist Kenia einer der wichtigsten strategischen Partner des Westens. Nairobi ist UN-Standort – der einzige in Afrika. Die kenianische Armee kämpft in Somalia gegen die mit dem Terrornetzwerk Al Qaida verbündete Al-Schabab-Miliz. Allein die USA zahlen im Jahr rund eine Milliarde Dollar Militär- und Entwicklungshilfe an Kenia. Europa liegt einschließlich der Mitgliedsstaaten bei einer ähnlichen Größenordnung. Die meisten in Afrika tätigen Nichtregierungsorganisationen arbeiten von Nairobi aus. Würden Standorte geschlossen und die Diplomatie auf ein Minimum beschränkt, riskierten die westlichen Staaten nicht nur, auf dem gesamten Kontinent dramatisch an Einfluss zu verlieren. Sie würden Kenia auch geradewegs in die Arme von China treiben. Da Kenia auf dem besten Weg ist, zu einer Ölfördernation zu werden, hat China durch Bauprojekte und andere Geschäfte seinen Einfluss ohnehin stetig vergrößert.

Was also tun? Die westlichen Regierungen werden auf jeden Fall eine schlechte Figur machen. Sie dürfen jedenfalls ihre Glaubwürdigkeit nicht völlig aufs Spiel setzen. Sie werden je nach dem Verhalten Kenyattas immer wieder neu entscheiden müssen, wie sie darauf reagieren. Sie können sich weder leisten, alles laufen zu lassen, noch können sie sich leisten, die Beziehungen radikal abzubrechen. Kenia ist ein Prüfstein für Glaubwürdigkeit und Realitätstauglichkeit westlicher Afrikapolitik. Es steht einiges auf dem Spiel.

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