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Meinung: Neues Verlierergefühl

Von Klaus Kurpjuweit

Dieses Gefühl kennt Hartmut Mehdorn als Bahnchef noch nicht: Verlierer zu sein. Im Umzugspoker mit Hamburg hat er sich wohl verzockt und den Joker der Bundesregierung übersehen, die Nein zu seinen Plänen sagt. Damit zeigt die neue Regierung, dass sie nicht gewillt ist, den Chef des immer noch bundeseigenen Unternehmens weiter an der langen Leine zu lassen. Unter Kanzler Gerhard Schröder hatte die Männerfreundschaft funktioniert; Mehdorn konnte mit der Bahn machen, was er wollte. Mit Kanzlerin Angela Merkel scheint es nicht so einfach zu gehen. Dass das Kabinett Mehdorn gebremst hat, ist richtig, auch wenn die Hanseaten noch nicht aufgeben. Es geht schließlich um viel mehr als nur um einen Umzug der Bahn. Würde die Konzernspitze die Stadt verlassen, könnte dies einen Dominoeffekt auslösen. Bisher gilt Berlin als Verkehrskompetenzentrum und damit als attraktiver Standort für Bahnunternehmen. Damit könnte es vorbei sein, wenn die Lokomotive Bahn AG nicht mehr dabei wäre.

Und selbst Bremen und Niedersachsen würden die Wellen des Umzugs spüren. Ihre Häfen könnten Verkehr – und damit Arbeitsplätze – verlieren, wenn der Hamburger Hafen dank der Bahn als Partner den Verkehr zu Land und See dominieren würde. Hier geht es nicht um Eitelkeiten, welche Stadt sich damit schmücken kann, Sitz der großen deutschen Bahn zu sein. Es geht um Strukturpolitik, die weit über Berlin hinausreicht. Und um die Frage, was überhaupt Aufgabe der Bahn ist. Sie soll Personen und Güter an deren Ziel bringen. Davon entfernt sich das Unternehmen aber zunehmend. Bereits jetzt erwirtschaftet die Bahn 40 Prozent ihres Umsatzes außerhalb des Schienenbereichs. Der Anteil soll weiter steigen. Wenn die Bahn aber nur noch ein halbes Schienenunternehmen ist, gibt es auch keinen Grund mehr, ihr weiter das Schienennetz zu überlassen, wie es Mehdorn für den angestrebten Börsengang wünscht.

Die Bundesregierung kann die Chance jetzt nutzen, klar zu machen, welche Art Bahn sie für das Land haben will. Aus der Daseinsfürsorge für die Menschen darf sie sich nicht davonstehlen und dem Management das Feld allein überlassen. Wenn es nicht anders geht, auch mit einem neuen Bahnchef.

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