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Meinung: Nicht nur für den Moment

Sozialdemokraten II: Tony Blair gewinnt auf dem Parteitag die Seele von Labour

Wie gut muss es den Engländern gehen, dass ausgerechnet der Finanzminister auf dem Labour-Parteitag mit Ovationen gefeiert wird? Und wie schlecht muss es um Tony Blair stehen, dass Gordon Brown in Bournemouth von der „Seele“ der Partei sprechen kann, als wisse nur er, was das sei?

So sah es noch am Montag aus, Blair doppelt angeschlagen, als ungeliebter Krieger, als herzloser Parteichef, daneben Brown, der Geld versprach, viel Geld sogar, für Bildung und Soziales. Ich stehe bereit, so war dessen Botschaft, und Labour, so wollte es plötzlich erscheinen, hatte eine echte Wahl.

Wie gut ist es um die Engländer bestellt, dass ihr Premierminister solche Momente nutzt, um Reden zu halten, die dem gesamten Drama nicht ausweichen, sondern sich ihm stellen? Voller Selbstironie tat er das, klar, pathetisch und mit dem nötigen Maß an Klassenkampfpathos alle Bälle aufnehmend, die ihm seine Kritiker in den vergangenen Monaten mit so viel Wucht zugespielt hatten. Offen, selbstbewusst präsentierte sich Blair seiner Partei und rhetorisch geradezu meisterhaft.

So sah es also Dienstagnachmittag aus, Blair umjubelt von einem Parteitag, der zu einem der wichtigsten seiner Karriere geworden war. Dass er kein Gespür für die Seele der alten Labourianer haben könnte, der Gedanke verflüchtigte sich schnell. Blair näherte sich der Partei als Außenseiter, als Umstrittener und Ungeliebter, und bezog dabei überraschend auch zu den wichtigen außenpolitischen Themen, Irakkrieg und Euro, deutlich Stellung. An seiner Entfernung zur eigenen Partei ließ er keinen Zweifel – er machte diese Entfernung brillant zum Thema.

Vor allem war die Rede eine innenpolitische Kampfansage, die von der Vision einer historischen dritten Amtszeit für Labour lebte, von dem genüsslich herablassenden Umgang mit der konservativen Opposition. Blair sprach von „wir“ so viel, dass sich in der verbalen Umarmung die alte Debatte um Old und New Labour gleichsam erledigte.

Die Agenda Blairs – und der größte innerparteiliche Widerstand – liegt in der Innenpolitik. Universitätsgebühren oder Labours historisches Kernprojekt, das staatliche Gesundheitssystem, waren die Themen, auf die alle mit Spannung warteten. Auch hier blieb der Reformpolitiker Blair bei seinem Kurs.

Blair nutzte in Bournemouth wie schon vor dem Hutton-Untersuchungsausschuss seine Chance – und stahl sie so seinen Konkurrenten. Am Montag hatte sich Gordon Brown ins Spiel gebracht. Am Dienstag klatschte auch er seinem Premier Beifall.

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