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Meinung: Nicht nur Wahlkampf

Schröders Kritik an einem Irak-Krieg folgt der Linie rot-grüner Außenpolitik

Von Peter Siebenmorgen

Die Vereinigten Staaten sind fest entschlossen, den Irak militärisch anzugreifen, sollte sich Saddam Hussein dem Willen Washingtons nicht bedingungslos unterwerfen. George W. Bush, Dick Cheney und Donald Rumsfeld sagen dies Tag für Tag. Sie dürfen das nicht nur, man muss den Spitzen der amerikanischen Administration sogar dankbar für die schonungslose Offenheit sein, mit der sie über das Herannahen eines Kriegs sprechen. Für den deutschen Bundeskanzler scheinen indes andere Maßstäbe zu gelten. Sobald er die amerikanischen Freunde beim Wort nimmt, sie zitiert, schallt ihm entgegen, er schüre Kriegsangst. Taterschwerend: zu Wahlkampfzwecken.

Der Bundeskanzler der Bundesrepublik, Regierungschef eines freien und souveränen Staates, hat unmissverständlich und oftmals kundgetan, dass unter seiner Verantwortung eine Beteiligung Deutschlands ausgeschlossen ist. Das mag man für töricht oder vernünftig halten. Aber einem Mann, der sich darum bewirbt, die Geschicke des Landes zu führen, sollte man nicht vorwerfen, dass er seinen Standpunkt in einer Schicksalsfrage dem Volk ohne Wenn und Aber darlegt.

Aber liegen die Dinge wirklich so eindeutig? Ist der wahre Grund für Schröders strikte Opposition gegen jegliche deutsche Beteiligung an einem Militäreinsatz im Irak nicht doch nur pure Wahlkampftaktik? Und ist die aggressive Art, in der Schröder sich öffentlich mit Amerika anlegt, in Wahrheit etwas anderes als schlimmster Populismus, der sich anti-amerikanischer Stimmungen bedient und diese sogar noch verstärkt?

Glücklich kann niemand darüber sein, wie in der Schlussphase des Wahlkampfs das Megaphon als einzig verbliebenes Mittel des diplomatischen Verkehrs mit Amerika genutzt wird. Dass die Vereinigten Staaten stillschweigend das Ziel ihrer Irak-Politik, auf das sie die Weltgemeinschaft verpflichten wollen, verändert haben – Regimewechsel statt Ausschaltung von Massenvernichtungswaffen –, entschuldigt den harschen öffentlichen Ton im Umgang untereinander jedenfalls nicht.

Jene Krise in den transatlantischen Beziehungen, von der der britische Premierminister Tony Blair eben erst behauptet hat, es gäbe sie nicht, nimmt so ihren Anfang. Denn Sprachlosigkeit zwischen Partnern wird durch öffentliches Anbrüllen mitnichten überwunden. Diesem Vorwurf kann sich der Kanzler nicht entziehen, auch wenn man ihm schuldmindernd zugute halten darf, dass er wegen des Wahlkampfs in Deutschland dazu gezwungen ist, sich früher, deutlicher und vernehmbarer zu äußern als seine europäischen Kollegen in Rom, Madrid oder Luxemburg.

Die Unterstellung, Schröder spreche so, wie er spricht, nicht nur im Wahlkampf, sondern gerade aus Gründen des Wahlkampfs, kann der Kanzler allerdings mit Recht zurückweisen. Seit dem 11. September hat er stets einen klaren Trennungsstrich zwischen verantwortlichem Handeln aus Solidarität und Abenteurertum gezogen. Was er damit meinte – etwa: kein Krieg gegen den Irak – hat er fortan in vielen Gesprächen fern der Öffentlichkeit deutlich unterstrichen.

Doch seine Argumentationslinie reicht weiter zurück: Schon beim Kosovo-Krieg traf Schröder jene Unterscheidung: Deshalb war er, bei annähernd gleicher Wortwahl wie heute, gegen den Einsatz von Bodentruppen. Sicherheitspolitisch kann man dies mit guten Gründen – ob es die besseren sind, ist eine andere Frage – kritisieren. Nur für den Vorwurf, Schröders Irak-Kurs sei in seiner Substanz vom Wahlkalender diktiert, bietet das alles keinerlei Anhalt.

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