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Meinung: „Nicht so feige wie in der Vergangenheit“

Japans Premier Shinzo Abe trifft heute in Berlin Kanzlerin Angela Merkel – und hat sich für das kurze Gespräch viel vorgenommen. Als er gestern aus Tokio abflog, versprach Abe den Journalisten: „Ich werde den Europäern sagen, was für eine schöne Nation ich in Japan aufbauen möchte.

Japans Premier Shinzo Abe trifft heute in Berlin Kanzlerin Angela Merkel – und hat sich für das kurze Gespräch viel vorgenommen. Als er gestern aus Tokio abflog, versprach Abe den Journalisten: „Ich werde den Europäern sagen, was für eine schöne Nation ich in Japan aufbauen möchte.“ Selbstbewusste Worte für einen, der erst drei Monate im Amt ist und seither rasant an Popularität eingebüßt hat. Doch der 52-Jährige lässt sich nicht so schnell beirren – er kommt aus einer Politikerfamilie und hat nach der Uni nur fünf Jahre in der Wirtschaft gearbeitet, bevor er eine Parteikarriere begann. Diese führte ihn bis ins Amt des Vorsitzenden der Liberaldemokraten und damit, so ist es in Japan üblich, automatisch auf den Sessel des Premierministers.

Die Japaner nehmen ihm übel, dass er den transparenten Stil seines charismatischen Vorgängers und Parteifreunds Junichiro Koizumi nicht weiterführt. Schon zwei von Abes Ministern sind über Kungeleien gestolpert. Doch in einem zentralen Anliegen dreht Abe voll auf: Er will Japan nicht nur zu einem „schönen Land“, sondern vor allem international stärken. Der erklärte Patriot ließ dazu gestern das „Amt für Selbstverteidigung“ zum „Verteidigungsministerium“ aufwerten. Japans pazifistische Verfassung erlaubt seit dem Krieg keine Wiederbewaffnung – so wollte es die Siegermacht USA. Daher hat Japan auch keine Armee, sondern nur „Selbstverteidigungskräfte“.

Jahrzehntelang traute sich kein Politiker an die Verfassung von 1946 heran. Doch wegen der Bedrohung durch Nordkoreas Atom- und Raketenprogramm sehen Konservative wie Abe eine Chance, Japan wieder zu bewaffnen und dem Land damit mehr Souveränität zu geben. Um sich vor Nordkorea zu schützen, braucht Japan mehr internationalen Einfluss, so die Logik. Auf seiner Europareise will Abe deshalb für eine geschlossen unnachgiebige Linie gegenüber Nordkorea werben.

Abes Ziele passen inzwischen auch den Amerikanern gut, denn ein Japan mit einer offiziellen Armee könnte sich stärker am Kampf gegen den Terror beteiligen. Abe kündigte schon an, Auslandseinsätze seien demnächst Kernaufgabe der Selbstverteidigungskräfte. Noch ist nicht sicher, dass die Japaner trotz aller Bedrohung Abes Verfassungsprojekt in der dafür nötigen Volksabstimmung zustimmen. Selbstverteidigung finden alle gut, aber wer will seine Söhne künftig wirklich irgendwo an der Front stehen sehen?

Finn Mayer-Kuckuk

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