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Meinung: Nicht von dieser Welt

„Cassini“ erreicht heute den Saturnmond Titan – und beflügelt Europas Raumforschung

Heute segelt eine Raumsonde durch die Atmosphäre des Saturnmondes Titan, morgen durchbohrt eine Kanone den Kometen Tempel 1. Währenddessen kehrt ein anderes Raumschiff mit einem Tütchen Staub von dem Kometen Wild 2 zurück; ein viertes ist unterwegs zum Kometen Churyumov-Gerasimenko, zwei altgediente Marsroboter feiern ihr Einjähriges auf dem Roten Planeten. Und erstmals hat eine europäische Sonde den Mond erreicht – ein paar Jahrzehnte nach Russen und Amerikanern.

Was soll das alles? Haben die Weltraumbehörden einen Masterplan in ihren Schubladen, dessen Geheimschrift wir, die wir mit Mühe die neun Planeten unseres Sonnensystems kennen, nicht entziffern können? Was haben die, die in Houston oder Darmstadt an den Schalthebeln sitzen, vor?

Zunächst einmal: Sie sprechen miteinander. Und nicht nur das. Europäische und amerikanische Wissenschaftler planen ihre Missionen inzwischen oft gemeinsam, sind an den Aktivitäten der jeweils anderen Seite beteiligt. Es gibt nur wenige Forschungszentren und Unternehmen auf der Welt, die die Kameras, Radargeräte und sonstigen Bordinstrumente für Weltraumflüge bauen können. Und da jeder das Beste haben will, haben amerikanische Marsroboter deutsche Nasen und Augen.

Ein anderes Beispiel: Die amerikanische Weltraumorganisation Nasa hat ein großes Raumfahrzeug mit wissenschaftlichem Gerät ausgestattet, das derzeit den Saturn umkreist und seine Ringe und Monde erkundet. „Cassini“ trug eine kleine europäische Kapsel, die heute – wenn alles gut geht – den Saturnmond Titan erreichen wird. Die Europäer haben damit den erheblich preiswerteren, riskanteren und spektakuläreren Part übernommen. Gerade diese Mission macht deutlich: Es geht mittlerweile nicht mehr allein darum, unsere Nachbarplaneten überhaupt einmal aus der Nähe zu betrachten. Das stand in den 70er und 80er Jahren im Vordergrund. Heute sind die Forschungsziele an konkreten Fragestellungen orientiert.

Titan ist der einzige Mond in unserem Sonnensystem, der eine eigene, dichte Atmosphäre besitzt. Eine sehr ursprüngliche Lufthülle zudem, in der wegen der eisigen Kälte dort draußen, fernab der Sonne, chemische Prozesse viel langsamer ablaufen als auf der Erde.

Die Zusammensetzung dieser Lufthülle und das Wettergeschehen auf dem Mond könnten den Forschern Aufschluss darüber geben, unter welchen Bedingungen sich überhaupt eine Atmosphäre bildet und wie sie sich im Laufe der Jahrmilliarden verändert. Das würde ihnen dabei helfen, klimatische Vorgänge auf unserem eigenen Planeten besser zu verstehen. Bislang weiß auch niemand, ob sich unter der dichten Titanhülle eine feste Oberfläche verbirgt oder ob der Mond sogar Ozeane aus flüssigem Methan oder anderen Stoffen besitzt. Die Bilder von dem heutigen Sinkflug werden jedenfalls mit großer Spannung erwartet.

Im Vergleich zu dem stattlichen Saturnmond scheinen die Kometen sehr viel weiter entfernte Verwandte unserer Erde zu sein. Doch dieser Eindruck täuscht: Unsere Erde ist vor 4,5 Milliarden Jahren aus der Verschmelzung zahlloser kleiner Himmelskörper entstanden: aus Asteroiden und Kometen. Sie bergen noch heute die Grundstoffe unserer Existenz.

Wenn Theologen behaupten, der Ursprung des Menschen sei nicht von dieser Welt, so stimmen ihnen Forscher zu. Wollen wir die letzten Geheimnisse der Erde und des Lebens aufdecken, dann wird uns weniger die Geo-Forschung als vielmehr die Wissenschaft vom Weltall dabei helfen. Auch wenn wir dazu noch viele Puzzlestücke zusammensuchen müssen.

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