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Meinung: Nichts für den Staat

Ein Moratorium bei der grünen Gentechnik wäre ein Fehler Von Christian Wulff

Im Tagesspiegel vom 16. Juni 2006 hat der Generalsekretär der CSU, Markus Söder, ein fünfjähriges Moratorium bei der kommerziellen Nutzung der grünen Gentechnik nach Schweizer Vorbild gefordert. Dieser Forderung ist Bundesagrarminister Horst Seehofer zehn Tage später insoweit nachgekommen, als er die dringend erforderliche Novellierung des Gentechnikgesetzes erst einmal auf den Herbst verschoben hat. Was aber ist von den Argumenten Söders zu halten? Fehlt der grünen Gentechnik wirklich die Akzeptanz in der Bevölkerung? Gibt es für gentechnisch veränderte Produkte wirklich keinen Markt? Geht es wirklich nur darum, die Natur dem Kommerz zu opfern?

Um mit Letzterem zu beginnen: Die Entscheidung zugunsten der kommerziellen Nutzung der Grünen Gentechnik ist längst gefallen. Die EU-Freisetzungsrichtlinie besagt, dass die Mitgliedstaaten das Inverkehrbringen von Produkten, die den Anforderungen der Richtlinie entsprechen, nicht verbieten, einschränken oder behindern dürfen.

Die Frage ist daher nicht, ob wir die Natur dem Kommerz opfern, sondern, ob wir mit einem Moratorium evident gegen Europarecht verstoßen und die legitimen Interessen der Wirtschaft missachten wollen. Unabhängig davon ist die Einschätzung, ob es in Deutschland für gentechnisch veränderte Produkte einen Markt gibt, nicht Angelegenheit der Politik, sondern der Wirtschaft. Sicherlich fehlt gentechnisch veränderten Lebensmitteln gegenwärtig die Akzeptanz in der Bevölkerung. Einer aktuellen Studie der Europäischen Union zufolge lehnen 58 Prozent der Europäer gentechnisch veränderte Lebensmittel ab. Dies sieht bei grüner Gentechnik mit medizinischem oder pharmazeutischem Hintergrund aber ganz anders aus. Hier gibt es von mehr als 80 Prozent der Bevölkerung der Europäischen Union Zustimmung. Von einem Moratorium bei der grünen Gentechnik wären allerdings beide Bereiche – und zwar völlig undifferenziert – betroffen.

Wenn ein Moratorium bei der grünen Gentechnik im Ergebnis rechtswidrig, dirigistisch und undifferenziert wäre, stellt sich die Frage nach der Alternative. Wie können wir den Schutz von Mensch und Umwelt und die Nutzung der Chancen grüner Gentechnik besser als durch ein Moratorium miteinander vereinbaren? Eines dürfte unstreitig sein: Forschung zur grünen Gentechnik ist weiterhin notwendig. Laborarbeiten und Freisetzungen müssen auch weiterhin in Deutschland stattfinden. Wenn wir hier den Anschluss nicht verlieren wollen, sind unnötige rechtliche Hemmnisse in diesem Bereich zu beseitigen. Über die kommerzielle Nutzung der grünen Gentechnik muss – im Rahmen des rechtlich Zulässigen – der Markt entscheiden. Der Staat hat sich darauf zu beschränken, für faire Wettbewerbsbedingungen zu sorgen, die eine Koexistenz der unterschiedlichen landwirtschaftlichen Anbauformen (konventionell, ökologisch und gentechnisch) ermöglichen. Einzelne Anbauformen darf er weder privilegieren noch diskriminieren.

Dazu benötigen wir einerseits flexible und praxisorientierte Regelungen mit sicheren Vorgaben für die Landwirte und andererseits einen wirtschaftlichen Ausgleich bei Schadensfällen im Rahmen einer Versicherungslösung oder eines Haftungsfonds. Diese Maßnahmen der Koexistenz sind durch Sicherheitsforschung zu begleiten. Insbesondere Pflanzen mit besonderem Potenzial zur Auskreuzung (zum Beispiel Raps) bedürfen hierbei einer kritischen Betrachtung.

Es sollte kein Moratorium geben – weder ein ausgesprochenes noch ein unausgesprochenes. Das Gentechnikgesetz schafft derzeit keinen fairen Ausgleich zwischen den einzelnen Anbauformen. Wenn wir den Anschluss in diesem zukunftsträchtigen Bereich nicht verlieren wollen, müssen wir jetzt die Novellierung des Künast-Gentechnikgesetzes in Angriff nehmen.

Der Autor ist stellvertretender Vorsitzender der CDU und Ministerpräsident von Niedersachsen.

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