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© dpa

Nicolas Sarkozy: Filmriss im Elysée

Die Grande Nation ist unzufrieden mit ihrem Staatsoberhaupt. Kritik hagelt es von allen Seiten. Nach einem Jahr im Amt steht Frankreichs Präsident Sarkozy mit leeren Händen da.

Die Franzosen hadern mit ihrem Präsidenten. Der Unmut hat fast alle Schichten erfasst. Man muss gar nicht nörgelnde Taxifahrer oder streikende Lehrer als Volkes Stimme befragen. Wie es um die Befindlichkeit bestellt ist, zeigt ein Blick in die Auslagen der Buchhandlungen. „Der König ist nackt“ lautet ein Titel, unter dem Laurent Joffrin, der Chefredakteur des Linksblattes „Libération“, mit Nicolas Sarkozy abrechnet. Ähnlich vernichtend geht ein Autor von der rechten Seite des politischen Spektrums mit dem Präsidenten ins Gericht. „Das wird schlecht enden“, urteilt der liberale Politiker Francois Leótard in einem Bestseller über Sarkozys Politik. Wie kein anderer Präsident hat Nicolas Sarkozy Frankreichs Autoren zum Schreiben von Pamphleten inspiriert. Allenfalls über seinen Vorgänger Jacques Chirac wurde so viel hergezogen. Aber das geschah erst zum Ende von dessen Amtszeit, während Sarkozy schon nach einem Jahr publizistisch der Prozess gemacht wird.

Der Elysée-Palast ist keine Traumfabrik

Der Kontrast zu der wie ein Hollywood-Film inszenierten Amtseinführung könnte nicht größer sein. Nach dem Medienzirkus des Wahlkampfs entsprach das Spektakel unter den Lüstern des Elysée-Palastes durchaus den Wünschen einer großen Mehrheit. Schon Napoleon hatte von seinen Landsleuten gesagt, sie wollten träumen. Dieses Bedürfnis haben alle Präsidenten, jeder auf seine Weise, bei ihrer Wahl genährt – de Gaulle mit der Verheißung neuer Größe, Pompidou mit dem Sprung zur industriellen Modernisierung, Giscard d’Estaing mit Anläufen zu demokratischen Reformen, Mitterrand mit dem Versprechen, durch Verstaatlichungen das Land aus der Krise zu führen, und Chirac mit dem Engagement, den „sozialen Riss“, der durch die Gesellschaft geht, zu überwinden. Doch der Elysée-Palast ist keine Traumfabrik. Dennoch hat auch Sarkozy mit der im Wahlkampf proklamierten „rupture“, dem Bruch mit dem monarchischen Stil und der ängstlichen Politik seiner Vorgänger, Träume erzeugt.

Zwar ließ er keinen Zweifel daran, dass Frankreich vor unumgänglichen Reformen stehe, doch einmal mehr mochten sich die Franzosen in dem Glauben wiegen, dass ihnen – siehe das Versprechen des Präsidenten, ihre Kaufkraft zu mehren – schmerzhafte Anpassungen an die Wirklichkeit erspart bleiben würden.

Sarkozy sieht sich als den großen Reformer

Sarkozy ist davon überzeugt, dass er als großer Reformer, der alle Probleme Frankreichs auf einmal anpackt, in die Geschichte eingehen wird. Schon jetzt habe er mehr zustande gebracht als jeder seiner Vorgänger, de Gaulle eingeschlossen, behauptet er. Seine Bilanz nach einem Jahr ist keineswegs durchgehend negativ. Doch die schwierigste Aufgabe, der Abbau des Staatsdefizits, den Brüssel erneut angemahnt hat, liegt noch vor ihm. Wie Sarkozy, der sich als künftiger Ratspräsident der EU als Spurmacher Europas zu profilieren hofft, dieser Verpflichtung nachkommen wird, bleibt abzuwarten. Ein rigoroser Sparplan wird wohl unvermeidlich sein. Die eigentliche Enttäuschung steht den Franzosen noch bevor.

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