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Meinung: Noch ein apokalyptischer Reiter

Terrorist Sarkawi kündigt einen Großanschlag an. Europa ist besonders gefährdet

Von Frank Jansen

Die Katastrophe hat sich nicht wiederholt. Mehr als drei Jahre ist der Tag her, an dem Passagiermaschinen als fliegende Bomben missbraucht wurden. Seitdem haben militante Islamisten gebombt, entführt und reichlich kriminelle Fantasie bewiesen. Aber sie waren nicht fähig, ein ähnliches Inferno wie am 11. September 2001 nochmal zu verursachen. Dennoch warnen die Sicherheitsbehörden, ein weiterer Mega-Anschlag sei nur eine Frage der Zeit. Von einer hohen abstrakten Gefahr ist die Rede. Alles Alarmismus? Übertreiben die Experten, um ihre Jobs zu sichern und Freiheitsrechte einzuschränken?

Wer so argumentiert, und das tun viele, wird sich auch von dem jordanischen Terroristenführer Abu Musab al Sarkawi nicht überzeugen lassen. Er hat im Gespräch mit einem kurdischen Anhänger einen Anschlag angekündigt, der den Horror des 11. September noch überbieten soll. Das ist keine leere Drohung. Im Irak morden Sarkawi und seine Leute wie besessen. In Deutschland haben sie es auch versucht. Zum Glück konnten Anschläge verhindert werden.

Eine Schutzgarantie ist das nicht. Genauso wenig hilft es, die Monate zu zählen, die ohne Mega-Attacke vergangen sind – und darauf zu hoffen, mit jedem Tag ohne apokalyptisches Attentat schwinde die Fähigkeit der Gotteskrieger, wieder zu einem ganz großen Schlag auszuholen.

Eine andere Interpretation scheint unumgänglich: Die Gefahr wird mit jedem Tag größer. Sarkawis Gruppe, die mit ihr verbündete Al Qaida, regionale Vereinigungen in Indonesien, Tschetschenien und anderswo sowie das Netz autonomer Terrorzellen weltweit wollen den verhassten Ungläubigen den größtmöglichen Schaden zufügen. Europa ist in besonderem Maße gefährdet, weil viele Staaten des alten Kontinents den amerikanischen Antiterrorkampf unterstützen – aber der Sicherheitsstandard nicht so hoch ist wie in den USA. Die Amerikaner haben nach dem 11. September massiv aufgerüstet.

Sarkawis Drohung mit einem gewaltigen Anschlag sollten gerade die europäischen Regierungen als weiteres Warnzeichen begreifen – und endlich ihre Terrorabwehr effektiver koordinieren sowie die vielen Schwachstellen beseitigen. Europas Sicherheitsbehörden arbeiten im Kampf gegen den Terror nur fallweise zusammen. Der Kooperation fehlt ein System, und sie wird durch unterschiedliche Sicherheitsstrukturen behindert. In Frankreich hat der Untersuchungsrichters Jean-Louis Bruguière die Terrorabwehr mehrerer Behörden in der Hand. In Deutschland agieren 16 Landeskriminalämter, das Bundeskriminalamt, 17 Verfassungsschutzbehörden und weitere Ämter nebeneinander. Es ist zu hoffen, dass die Zersplitterung durch das jetzt kommende Antiterrorzentrum in Berlin gemildert wird.

Ein Wort zu Osteuropa. Dort lauern Gefahren, die meist unterschätzt werden. Die Behörden in vielen postsozialistischen Staaten gelten als korruptionsanfällig – sind sie in der Lage, finanzkräftige Terrorgruppen auf dem Weg in den Westen zu stoppen?

Die Katastrophe des 11. September war vermutlich nicht der letzte Mega-Anschlag. Wer anderes sagt, leistet sich den Luxus, Terrorchefs wie Sarkawi zu ignorieren.

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