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Meinung: Noch ein Arbeitsloser

Florian Gerster ist über sich selbst gestürzt

Von Antje Sirleschtov

Gekämpft hat Florian Gerster, das muss man sagen. Für all die Menschen, die ihren Job verloren haben und eine neue Chance brauchen. Dafür hat er Politiker und ihre Gesetze kritisiert, die den Betroffenen zwar das täglich Brot garantieren, die Rückkehr ins Erwerbsleben aber wenig schmackhaft machen. Er hat Interessenvertreter an den Pranger gestellt, die eher sich selbst als den Arbeitslosen helfen. Und er hat die 90 000 Mitarbeiter in den Arbeitsämtern mächtig unter Dampf gesetzt.

Womit er ja auch ganz richtig gelegen hat. Und trotzdem wird er seinen Platz jetzt räumen müssen. Und zwar ausgerechnet mit der Begründung, die fast auf den Tag genau vor zwei Jahren auch schon seinen Amtsvorgänger, Bernhard Jagoda, herausgedrängt hat. Der Mann, sagte Verwaltungsratschefin Engelen-Kefer in ungewöhnlich scharfem Ton, sei zwar Fachmann, aber er behindere den Reformprozess. Deshalb solle ihn der Wirtschaftsminister jetzt rausschmeißen.

Und dann? Ereilt das Schicksal Gersters bald auch seinen Nachfolger? Wieder Indiskretionen und Gerüchte, wieder eine „Kampagne“, von der Gerster sagt, dass sie ihn kaputt gemacht hat. Vielleicht stimmt es ja, was manche behaupten: Diese krakenhafte Mammutbehörde ist einfach nicht zu reformieren. Nicht unter einem wie dem stillen Jagoda. Und auch nicht unter dem selbstbewussten Gerster, dessen Abgang den letzten Beweis dafür geliefert hat.

Klar ist: Nicht die Arbeitsämter sind schuld an hoher Arbeitslosigkeit. So behäbig sie auch sind, Arbeitsplätze schaffen können sie nicht. Dafür tragen die Unternehmen Verantwortung, und Gewerkschaften und auch die Politik. Sie schaffen mit Gesetzen, Tarifverträgen und Personalpolitik den Rahmen für den Arbeitsmarkt. Die Bundesagentur ist nur ein Rädchen in diesem System, die monatliche Statistik taugt nicht zum Kriterium ihrer Reformierbarkeit.

Bedeutungslos sind die Arbeitsämter deshalb noch lange nicht: Leistungen, Eingliederung und Vermittlung kosten rund 50 Milliarden Euro im Jahr. Und für viele Regionen ohne eigene Wirtschaftskraft sind die Arbeitsämter mehr als nur Job-Agenturen. Sie sind das, was den sozialen Ausgleich in der Marktwirtschaft ausmacht. Und damit dem politischen Einfluss ausgesetzt. Umso wichtiger also, dass in der Politik dafür gesorgt wird, dass die Bundesagentur ihren Job besser machen kann. Die Hartz-Gesetze waren ein Anfang, denn sie geben Nürnberg einen Spielraum zwischen zentraler Verteilung von Geld und regionaler Freiheit, dieses Geld so einzusetzen, wie es am sinnvollsten hilft.

Auch für die meisten der Agentur-Beschäftigten war das eine wichtige Botschaft. Denn auch sie litten darunter, sich stupide an Vorschriften halten zu müssen und dafür auch noch als faule Bürokraten beschimpft zu werden. Sie alle jetzt als reformresistente Blockierer zu bezeichnen, ginge an der Realität vorbei. Denn es hat sich einiges verändert. Jobcenter sind entstanden, die Vermittler haben mehr Zeit für den Einzelnen und bei Weiterbildung und ABM setzt sich Qualität durch. Natürlich gibt es auch noch die Betonköpfe, die nichts unversucht lassen, frischen Wind gleich im Keim zu ersticken. Es gibt sie in Nürnberg, im Verwaltungsrat und auch im Bundestag. Doch das ist eigentlich ganz normal für eine solche Strukturreform.

Diese Balance zwischen Fortschritt und Stillstand allerdings zu halten und zu steuern, wie es jeder erfolgreiche Behördenchef und Konzern-Manager tun muss, das konnte Florian Gerster nicht. Gestürzt ist er deshalb über sich selbst, und nicht über eine unreformierbare Bundesagentur.

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