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Meinung: Noch eine Sedisvakanz

Theaterdonner im letzten Akt: Das Ende von Silvio Berlusconi ist abzusehen

Silvio Berlusconi tritt zurück. Nein, er bleibt. Nein, er tritt doch zurück. Ja und? Nächste Woche kommt er wieder. Das ist italienisches Politiktheater, wie es leibt und lebt. Und Berlusconi – „im Vollbesitz meiner politischen Macht“, wie er zu sagen beliebt – fühlt sich nach wie vor der Showmaster Numero Uno.   Orchestrierung und Regie allerdings sind  diesmal nicht  mehr ganz so perfekt. Das Schauspiel des großen Selbstdarstellers neigt sich dem Ende zu. Es hebt sich    der Vorhang zum letzten Akt.

Im Grunde ist Berlusconis Mitte-rechts-Koalition schon gescheitert. Bei den Landtagswahlen  sind soeben zwölf von 14 Regionen an die Opposition gefallen; die Forschungsinstitute verzeichnen eine  Wählerwanderung von rechts nach links, wie sie in diesem Umfang noch nie beobachtet worden ist. Dabei hat sich im anderen Lager nicht etwa ein großer Medienstar angeboten, ein gewaltiger Redner oder ein überwältigender Charismatiker, sondern Romano Prodi, der Antistar gewissermaßen, der zu allem Überfluss nicht einmal über eine geschlossene Truppe verfügt, sondern sich seine Stellung im  zerstrittenen Oppositionsbündnis erst erkämpfen muss.

Den  Italienern ist Berlusconis Politik ans Portemonnaie gegangen. Seit 2001 erleben sie eine Versprechung nach der anderen: Groß angelegte Pensionsreformen oder Steuersenkungen werden angekündigt – faktisch aber steigt das Haushaltsdefizit auf EU-widrige Werte und es sinkt die Kaufkraft des Volkes, vor allem in der Mitte  und im Süden des Landes. Nun haben die Italiener offenbar die Show satt.

Berlusconis Koalitionspartner haben darauf reagiert: Die Christdemokraten forderten, wie schon nach der gleichfalls verlorenen Europawahl von 2004, Änderungen in Programm, Personal und Regierungsstil; die Alleanza Nazionale hat vor lauter eigensüchtigem Taktieren – Parteichef Gianfranco Fini lauert immer auf seine große Stunde, Berlusconi zu beerben – erst die Richtung verloren, sich dann aber der Palastrevolution angeschlossen.

Der Regierungschef selbst ignorierte die Partner. In interessegeleiteter Verkennung jeglicher  Realität zog er sich auf den „eindeutigen“ Wählerauftrag von 2001 zurück. Dieser erstrecke sich, sagt Berlusconi, bis 2006 – warum also vorher die Wähler an die Urnen bemühen?

Tja, warum? In Wahrheit denkt auch keine der Koalitionsparteien an Neuwahlen; das Risiko ist einfach zu groß. Und deshalb nehmen sie eben wieder Zuflucht zum Theaterzauber. Weil es aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht einfach ist, eine Regierung umzubilden, weil es auch (noch) kein konstruktives Misstrauensvotum gibt und keine Person, die man Berlusconi im eigenen Lager entgegensetzen könnte, eröffnen die Koalitionsparteien  in aller Form die „Krise“. Zu ihr gehören, traditionsgemäß, der „technische“ Rücktritt und der Neustart des Ministerpräsidenten. Das ermöglicht Verhandlungen und Retuschen am Koalitionspakt, das ermöglicht den Austausch von Gesichtern – faktisch werden höchstens drei oder vier zweitrangige Ministerien neu besetzt. Und all das wird dann nach außen als großer Neuanfang verkauft und wieder einmal werden viele, viele Versprechungen gemacht. Berlusconi selbst wird noch juristisch seine letzten Schäfchen ins Trockene bringen.  Und die Wähler werden hingehalten. Nichts weiter. 

In einem Jahr aber, daran kommen auch die Taktierer und Trickser um Berlusconi herum nicht vorbei, finden Parlamentswahlen statt. Dann wird nicht nur die Ära des am längsten regierenden italienischen Premiers zu Ende sein, es wird auch das ganze System des „Berlusconismus“ zerbröseln. Wieder einmal werden sich die Parteien, nicht nur im rechten, derzeit auf Berlusconi zentrierten Lager, neu gruppieren. Die zwölf Monate bis dahin werden ein einziges Ringen um die besten Ausgangspositionen für die Zeit danach sein. Eine einzige Profilierungssucht. „Regieren“ wird man das nicht  nennen können. Letzter Akt eben. Und dann: Programmwechsel.

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