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Norbert Lammert: "Das ist ein Ärgernis"

Anderen Leuten in die Parade zu fahren, gehört zu seinen vornehmsten Aufgaben. Wenn Norbert Lammert die Sitzungen des Bundestags leitet, ist er der Einzige, der zur Ordnung rufen darf.

Von Robert Birnbaum

Doch Lammert nimmt sich auch außerhalb des Reichstags immer wieder mal das Recht auf Zwischenruf. Und das nicht nur in solchen Fragen, in denen er als Bundestagspräsident quasi von Amts wegen Stellung beziehen muss. Der CDU-Politiker besteht darauf, dass er als Abgeordneter Rechte und Pflichten wie jeder normale Hinterbänkler habe.

Trotzdem ist es natürlich ein Unterschied, ob bloß ein gewisser Lammert aus Bochum mit Nein bei einer wichtigen Abstimmung droht oder der Herr Bundestagspräsident. Zuletzt war das beim Griechenland-Rettungspaket der Fall. Lammert monierte, dass im Gesetzentwurf keinerlei Hinweis auf das Sparprogramm der Griechen zu finden sei, und ließ bei einer Probeabstimmung in der Unionsfraktion die Hand unten. Der Vorgang fällt unter die sozusagen pädagogischen Interventionen des Präsidenten: Das Parlament, findet er, müsse seine Rolle als Gesetzgeber bis ins Detail ernst nehmen.

Sein jüngster Zwischenruf ist weitaus politischer. Lammert fordert von seiner Regierung konkrete Schritte zur Regulierung der Finanzmärkte – und verknüpft das mit einer raffinierten Drohung: Er wäre nicht erstaunt, wenn viele Abgeordnete ihre Zustimmung zum neuen Euro-Rettungspaket von ebensolchen Schritten abhängig machten. Das liest sich wie ein Aufruf zur Renitenz. Und Lammert kann als langjähriger Chef der NRW-Landesgruppe in Anspruch nehmen, dass er die Stimmung in der Fraktion gut kennt. Schließlich rede man von Regulierung gegen Spekulantentum seit der Finanzkrise; nur passiert sei nichts. „Das ist ein Ärgernis“, sagt Lammert.

Damit hat er sogar recht. Der Vorstoß wird indes naturgemäß auch als Angriff auf die Autorität der Regierungschefin gedeutet. Dabei zählt Lammert nicht zum Lager der Angela-Merkel-Verächter, eher zu ihren frühen Förderern im Hintergrund. Vermutlich würde er seinen jüngsten Zwischenruf als etwas eigenwillige Methode beschreiben, Merkel auf den Weg zu helfen, den sie doch selber richtig findet. Ihm verschafft das Aufmerksamkeit über den protokollarischen Status hinaus. Nicht, dass Lammert sich als Nummer Zwei im Staate am falschen Platz fühlte. Aber Parteifreunde vermuten schon lange, Nummer Eins zu sein fände er auch okay. Robert Birnbaum

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