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Meinung: Notausgang für die SPD

Von Lorenz Maroldt

Es sieht aus wie beim Volleyball, was unter der Marke Politik dem Volk dargebracht wird. Pokerface, konzentriert, in Bezug auf den Bundespräsidenten: verschwiegen, selbstverständlich. Aus Respekt vor dem höchsten Amt, so sollen wir es verstehen, hat es allen die Sprache verschlagen, wenn es um die Frage aller Fragen geht: Löst er den Bundestag auf? Alles, was da relevant sein könnte, erlangt den Status eines Kassibers. Aber hinter dem Rücken, da werden Fingerzeige gegeben, wird strategiert, intrigiert, spekuliert.

Einer, der dabei als Rätsel erscheint, auch wenn er gar nicht so verschwiegen ist, heißt Franz Müntefering. Ein kühler, verschlagener, erfahrener, realistischer Politiker. Und der soll plötzlich Fehler über Fehler machen? Warum gab er, als ein paar Sozialdemokraten den Präsidenten attackierten, freiwillig zu, nicht alles unter Kontrolle zu haben? Ein erfrischend ehrliches Zeichen von Autoritätsverlust – oder willkommene Unterstützung für die These vom verlorenen Vertrauen? Warum spielt er so bereitwillig des Kanzlers Pressesprecher? Dass Schröder Neuwahlen anstrebt, weiß die Welt von ihm; auch, dass der Kanzler weiterregieren will, wenn es nicht zu Neuwahlen kommt, verkündet Müntefering. Und warum besteht er auf der verschwurbelten Bundesratsblockadetheorie, die den Sozialdemokraten bei der Frage, warum sie wieder in dieselbe Situation gewählt werden wollen, die Zunge verknoten lässt?

Müntefering lässt das Kürzel SPD schillern – als Sophistische Partei Deutschlands. Dem Kanzler erklärt er das Vertrauen seiner Fraktion in jener Sitzung, in der sie es Schröder vorenthält, auf Geheiß Münteferings. Warum? Die Auflösung des Bundestags ist jedenfalls schwieriger geworden durch Münteferings Worte, weil sie den Vorwurf des Verfahrenstricks nähren.

Müntefering sagt: Gut für das Land wäre das nicht, sollten Neuwahlen scheitern. Aber, was er nicht sagt: vielleicht besser für die SPD, besser für Müntefering, der nicht als Tankerversenker in die Geschichte seiner Partei eingehen will. Wenn also die Neuwahlen scheitern und der Kanzler doch zurücktritt, was der Situation angemessen wäre, dann muss, wohl oder übel, Müntefering ran. Dann hätte er sich mit seiner Rede einen Notausgang aufgestoßen. Neusozialdemokratische Dialektik: Ein Jahr als Regierungsoppositioneller könnte ihm immerhin reichen, seine Partei über die 30-Prozent-Hürde zu emotionalisieren.

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