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Dass es die Rezeptpflicht für die "Pille danach" noch gibt, hat weniger medizinische, als vielmehr wahltaktische Gründe.

© dpa

Notfallverhütung mit "Levonorgestrel": Die Rezeptpflicht für die "Pille danach" entmündigt Frauen

Die "Pille danach" ist in 79 Ländern freigegeben, in Europa halten nur Deutschland, Italien und Polen am Rezept fest. Dabei ist die Rezeptpflicht längst überflüssig, medizinische Gründe dafür gibt es nicht. Der Grund ist ein ganz anderer: Die Rezeptpflicht ist ein Wahlgeschenk.

"Das Gesundheitssystem braucht den und die aufgeklärten, eigenverantwortlichen und mündigen Patienten und Patientinnen.“ Dieser Satz findet sich auf der Internetseite des Bundesgesundheitsministeriums. Man kann ihn wohl vorbehaltlos unterschreiben, vielleicht abgesehen vom etwas holprigen Deutsch. Was zählt, ist der Inhalt.

Allerdings gibt es ein Problem. Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) selbst hält sich nicht so ganz an die Abmachung, dass der mündige und eigenverantwortliche Patient gebraucht wird. Unter Federführung von Bahrs Ministerium wurde der Versuch von SPD und Linken im Gesundheitsausschuss abgewehrt, die „Pille danach“ von der Rezeptpflicht zu befreien. Frauen müssen also in Deutschland auch künftig zuerst zum Haus- oder Frauenarzt, um sich nach ungeschütztem Geschlechtsverkehr ein Rezept für das Präparat abzuholen.

Einen stichhaltigen medizinischen Grund für das Festhalten an der Rezeptpflicht gibt es nicht. Das Hormon Levonorgestrel, Wirkstoff der Pille danach, verhindert den Eisprung. Damit wird eine Befruchtung unterbunden. Die Pille danach ist also keine Abtreibungspille, und sie blockiert auch nicht die Einnistung des Embryos in der Gebärmutter, obwohl solche Vorstellungen offenbar noch in Kirchenkreisen kursieren. Anfang des Jahres wurde in katholischen Krankenhäusern in Köln einer vergewaltigten Frau eine Pille danach verwehrt – wohl aus Angst, man könne einen Abbruch bewirken.

Levonorgestrel wird seit 40 Jahren eingesetzt, seit 15 Jahren in der Pille danach. Schwerwiegende Nebenwirkungen sind nicht aufgetreten, weshalb das Expertenurteil einhellig ausfällt. Die Weltgesundheitsorganisation rät zur Aufhebung der Rezeptpflicht, in Deutschland hat sich der zuständige Sachverständigenausschuss für Verschreibungspflicht ebenfalls dafür ausgesprochen. Die Pille danach ist inzwischen in 79 Ländern freigegeben, in Europa halten neben Deutschland nur die katholischen Länder Italien und Polen am Rezept fest.

Bei uns werden Frauen also auch künftig wertvolle Zeit verlieren, weil sie ein Pillenrezept in der Arztpraxis ergattern müssen. Mit ziemlicher Sicherheit hat die Blockade durch die Bundesregierung daher mehr unerwünschte Schwangerschaften – und damit Schwangerschaftsabbrüche – zur Folge. Mit all ihren gravierenden Nebenwirkungen.

Vielleicht waren es rein politische Gründe, die zur Ablehnung der Rezeptfreigabe führten, schließlich kam der Vorschlag von der Opposition. Oder es gab moralische Vorbehalte. Der CDU-Gesundheitspolitiker Jens Spahn belehrte die Frauen, solche Pillen seien „nun mal keine Smarties“. Denkbar, dass man in der Union fürchtet, nach der Rezeptfreigabe werde eine allgemeine Verlotterung über das Land hereinbrechen und die zu Unbedarftheit und Leichtfertigkeit neigende deutsche Frau werde Hormonpillen wie Schokodragees naschen.

Das wahrscheinlichste Motiv für das Beibehalten der Rezeptpflicht ist aber der Druck der Ärztelobby. Im Wahljahr dürfte Schwarz-Gelb ihn deutlich spüren. Jedes Jahr wird die Pille danach schließlich 400 000 Mal verschrieben, und so nimmt es nicht wunder, dass die Kassenärztliche Bundesvereinigung und der Berufsverband der Frauenärzte auf der Rezeptpflicht beharrten. Mit Erfolg. Ihr Argument? Beratung. Aber natürlich würde es Frauen freistehen, sich auch ohne Rezept vom Arzt beraten zu lassen, wenn ihnen danach ist. Ein zwingender Grund besteht nicht, auch das Ärztehonorar ist keines.

Die Rezeptpflicht ist also ein Wahlgeschenk, und womöglich nicht das letzte. Im Gesundheitsministerium bastelt man an einem Präventionsgesetz, um die Bevölkerung mit sanftem Druck zu einem gesunden Lebensstil zu überreden. Schon protestiert der Berufsverband der Frauenärzte, die „Frauengesundheit“ werde „nicht berücksichtigt“, und mahnt eine „enge Kooperation“ an. Es ist der gleiche Verband, der erfolgreich die überfällige Modernisierung der Gebärmutterhalskrebs-Früherkennung blockiert, mit der die Vorsorge verbessert würde und die jährliche Untersuchung nicht mehr erforderlich wäre.

Über das, was gut für die Gesundheit der Frau ist, kann man sicher streiten. Für den Gesundheitsminister aber liegt das Rezept schon zum Abholen bereit.

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