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Die Schlagzeile "Türkische Presse nicht erwünscht" auf der Titelseite der türkischen Tageszeitung Hürriyet.

© dpa

NSU-Prozess: Deutschlands Glaubwürdigkeit steht auf dem Spiel

Kein Platz für den türkischen Botschafter - und für türkische Journalisten auch nicht: Drei Wochen vor Beginn des NSU-Prozesses schüren die Münchener Richter Misstrauen zwischen Türken und Deutschen. Es droht ein Schaden, der weit über die Grenzen ungeschickter Pressearbeit hinausgeht.

Bisher war das Vorgehen des Münchner Oberlandesgerichts bei der Vorbereitung eines der wichtigsten Prozesse in Deutschland seit Jahren nur amateurhaft und peinlich. Jetzt aber droht allmählich ein Schaden, der weit über die Grenzen ungeschickter Pressearbeit hinausgeht. Auf dem Spiel steht die Glaubwürdigkeit des Umgangs der Bundesrepublik mit rechtsextremen Verbrechen. Politiker aus Regierung und Bundestag haben viel Arbeit darauf verwendet, zerstörtes Vertrauen wieder aufzubauen, nicht zuletzt bei der türkischen Seite, der Hauptbetroffenen der NSU-Morde. Drei Wochen vor Beginn des Münchner Verfahrens könnte alles umsonst gewesen sein.

Mit der Absage an den türkischen Botschafter und an die türkischen Medien zeigt das Gericht einen solchen Mangel an Horizont und an Verständnis für die internationale Bedeutung des Falles, das man sich fragen muss, was noch alles geschehen wird, wenn das Verfahren erst einmal läuft. Man stelle sich vor, was in Deutschland los wäre, wenn in der Türkei acht Deutsche ermordet würden und dann der deutsche Botschafter und die deutsche Presse mit dem Hinweis auf Platznot und verpasste Anmeldefristen nicht in den Gerichtssaal gelassen würden.

Natürlich würde sich dann der Eindruck verbreiten, die Behörden wollten etwas unter den Teppich kehren. Und so geschieht es auch jetzt im Fall München. In der Türkei wird das dafür sorgen, dass Verschwörungstheorien, wie sie zuletzt nach der Brandkatastrophe von Backnang zutage traten, zementiert und zum festen Bestandteil des Bildes wird, das sich die Türken von Deutschland machen. Wenn es die Münchner Richter darauf angelegt hätten, Misstrauen zwischen Türken und Deutschen zu fördern, hätten sie es nicht effizienter anstellen können.

Bis zum Prozessauftakt wird nun der politische Druck auf das Gericht steigen; es kann nicht mehr lange dauern, bis sich die türkische Regierung ebenfalls einschaltet. Ein Aufeinandertreffen von türkischen Demonstranten und Neonazis vor dem Gerichtsgebäude ist nicht auszuschließen, wenn sich die Stimmung weiter aufheizt. Schöne Aussichten. Aber das scheint die Münchner Richter nicht groß zu interessieren, schließlich haben sie sich an die Vorschriften gehalten.

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