zum Hauptinhalt
Die Anwälte Anja Sturm, Wolfgang Stahl und Wolfgang Heer - dazwischen die Mandantin, die nicht nur dem Fotografen den Rücken gekehrt hat.

© Andreas Gebert

NSU-Prozess in München: Beate Zschäpe und ihre Anwälte: Kein Ende der Machtspielchen

Drei Anwälte von Beate Zschäpe wollten ihr Mandat niederlegen. Doch selbst wenn ein zweiter Prozess unvermeidlich sein sollte, der Rechtsstaat wird die Verbrechen des NSU ahnden. Ein Kommentar.

Von Frank Jansen

Sie fühlen sich gedemütigt. Die drei Pflichtverteidiger von Beate Zschäpe sind die Machtspielchen ihrer Mandantin leid. Nach mehr als zwei Jahren NSU-Prozess haben Wolfgang Heer, Wolfgang Stahl und Anja Sturm beantragt, der 6. Strafsenat des Oberlandesgerichts München solle sie aus dem Verfahren entlassen. Das ist verständlich. Zschäpe ist kaum berechenbar, sie hat ihre Anwälte mehrmals brüskiert. Droht nun im Mammutprozess zu den Verbrechen der Terrorzelle „Nationalsozialistischer Untergrund“ ein vorzeitiges Ende? Muss etwa die Hauptverhandlung gegen Zschäpe irgendwann neu aufgerollt werden?

Auszuschließen ist das nicht. Doch die entscheidende Figur in diesem Drama ist nicht Zschäpe, sondern der Vorsitzende Richter Manfred Götzl. Der akribische, bisweilen cholerische Jurist hat entschieden, dass die drei Verteidiger weitermachen müssen, weil sie in ihren Anträgen keine Gründe nennen wollten, mit Verweis auf die anwaltliche Schweigepflicht. Da konnten sich die Anwälte allerdings denken, dass sie an den hohen rechtlichen Hürden für die Entbindung eines Pflichtverteidigers scheitern würden. Dass die Anträge trotzdem gestellt wurden, wirkt wie ein Verzweiflungsakt. Der Konflikt zwischen Zschäpe und den drei Anwälten schwelt weiter. Wie lange geht das gut?

Bei diesem Richter wohl bis zum Ende. Götzl hat einmal mehr demonstriert, dass er den Prozess unbeirrt von allen Streitereien und sonstigen Problemen durchzieht. Demonstrativ begann er am Nachmittag sogar noch mit der Befragung eines Zeugen. Obwohl Heer, Stahl und Sturm betonten, sie sähen sich weiterhin außerstande, ihre Mandantin zu verteidigen.

Götzl ist zuzutrauen, dass er nichts unversucht lassen wird, um den schon weit fortgeschrittenen NSU-Prozess mit einem Urteil zu beenden, das auch in der Revision hält. Dazu muss Zschäpe allerdings jederzeit bestmöglich verteidigt worden sein. Ist das möglich, wenn drei der vier Anwälte sagen, sie sähen sich dazu außerstande? Bekäme der Bundesgerichtshof bei der Prüfung des Urteils Zweifel an einer durchgehend optimalen Verteidigung der Angeklagten, wäre eine schwere Blamage des Oberlandesgerichts München zu befürchten. Und das in einem Verfahren, in dem der Rechtsstaat schon oft nicht gut aussah.

Das fing bereits 1998 an. Die Sicherheitsbehörden hatten nicht verhindern können, dass Zschäpe mit den späteren Mördern Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt in den Untergrund ging. Dann wurden die drei trotz vieler V-Leute in der rechten Szene fast 14 Jahre nicht gefunden. Auch weil Polizei und Verfassungsschutz nach einigen Jahren gar nicht mehr suchten. So konnte der NSU ungestört morden, sprengen und rauben. Folgt nun ein Urteil, das nicht hält?

Es wäre nicht Zschäpes Schuld. Die Frau mag extrem unsympathisch erscheinen, aber sie hat das Recht, alle ihr zustehenden prozessualen Mittel zu nutzen. Dazu gehört, Verteidiger abzulehnen und im Verfahren zu schweigen. Doch selbst wenn ein zweiter NSU-Prozess unvermeidlich sein sollte – der Rechtsstaat wird die Verbrechen der Terrorzelle ahnden. Und Zschäpe dürfte so oder so noch Jahre hinter Gittern verbringen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false