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Meinung: Nur nicht als Erster nein sagen Von Moritz Schuller

Am Ende wird die Europäische Gemeinschaft vermutlich aus einem einzigen Land bestehen, aus Deutschland. Schließlich verhindert das Grundgesetz, dass sich das Volk in einem Referendum gegen irgendein wichtiges europäisches Projekt aussprechen könnte.

Am Ende wird die Europäische Gemeinschaft vermutlich aus einem einzigen Land bestehen, aus Deutschland. Schließlich verhindert das Grundgesetz, dass sich das Volk in einem Referendum gegen irgendein wichtiges europäisches Projekt aussprechen könnte. In anderen Ländern ist das anders: Erst sagte ein zögernder Tony Blair den Briten ein Referendum über die EUVerfassung zu, nun fällt auch Jacques Chirac ein, dass die Franzosen „direkt betroffen sind“ und gefragt werden müssen. Ob die Verfassung in diesen beiden Ländern in der Bevölkerung eine Mehrheit findet, ist noch vollkommen offen.

Lange galt ein Prinzip, das man zynisch oder visionär nennen darf: Europa ist zu wichtig, als dass man es zur Abstimmung stellen darf. Den Euro zum Beispiel gäbe es heute wohl nicht, wenn darüber abgestimmt worden wäre. Doch mit dem ersten, dem gescheiterten Verfassungsgipfel im Dezember 2003 hat sich das Blatt gewendet. Kein europäischer Führer ist plötzlich mehr bereit, sich für Europa zu opfern – und für die europäische Verfassung die eigene Abwahl zu riskieren. Das allein zeigt, wie wenig es bisher gelungen ist, Zustimmung für das europäische Großprojekt zu entfachen. Die Skepsis hat die Spitze erreicht.

Natürlich werden diese Volksabstimmungen als Angebot präsentiert, die Bürger einzubinden. Das ist Heuchelei. Längst hat das Wettrennen eingesetzt, möglichst nicht das erste Land zu sein, in dem das Referendum scheitert. Als Blair die Volksabstimmung ankündigte, tönte der deutsch-französische Grüne Daniel Cohn-Bendit: Wer die Verfassung nicht ratifiziert, fliegt raus aus der EU. Ob er das von Frankreich, dem Kern von Kerneuropa, dann auch verlangen wird?

Noch ist die neue europäische Verfassung nicht abgelehnt. Damit sie nicht weiter in das taktische Spiel nationaler Innenpolitik hineingezogen werden kann, sollte sie im nächsten Jahr in allen europäischen Ländern gleichzeitig zur Abstimmung gebracht werden. Möglicherweise sagt das Volk dann mehrheitlich nein. Europa muss auch damit leben können.

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