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Obama, UN und G 20: Weltpräsident für eine Woche

Barack Obama wird zum Opfer der Erwartungen, die er geweckt hat. Seine Popularität galt lange als neuer Trumpf der amerikanischen Außenpolitik. Jetzt wird sie zur Last.

Der Zauber, der jedem Anfang innewohnt, ist verflogen. Barack Obama wird zum Opfer der Erwartungen, die er geweckt hat. Seine Popularität galt lange als neuer Trumpf der amerikanischen Außenpolitik. Jetzt wird sie zur Last. Plötzlich ist sogar vorstellbar, dass die USA und ihre Partner in eine Spirale gegenseitiger Enttäuschung geraten.

Die Schlagzeilen in Europa zu Obamas Auftritten bei den Vereinten Nationen dokumentieren die Ernüchterung. Das zum „Nahostgipfel“ verklärte Dreiertreffen mit Palästinenserpräsident Abbas und Israels Premier Netanjahu brachte keine Fortschritte. Seine Rede zur Klimapolitik war ein Dämpfer für alle, die auf eine signifikante Reduzierung der Treibhausgase bei der Konferenz in Kopenhagen hoffen. Sein Afghanistankurs löst Irritationen aus. Beim G-20-Gipfel in Pittsburgh wird es ihm nicht besser gehen. Selbst mit dem bestdenkbaren Ausgang wird Europa nicht zufrieden sein.

In den USA herrscht eine ähnliche Stimmung, nur umgekehrt: Das Land hat nun einen Präsidenten, der guten Willen zeigt. Er nimmt sich, trotz des zugespitzten Konflikts um sein zentrales Reformprojekt, die Gesundheitsreform, eine ganze Arbeitswoche Zeit für Internationales. Er beehrt die Vereinten Nationen drei Tage – was kein Republikaner getan hätte und auch für einen Demokraten ein Wagnis ist, da die Amerikaner keine hohe Meinung von den UN haben. Doch einen Nutzen für Amerikas Interessen können Bürger und Medien nicht entdecken. Wo haben andere Staaten sich bewegt, um dem geschätzten neuen Präsidenten seine Aufgabe zu erleichtern, vom Druck auf Iran wegen des Atomprogramms über Truppen für Afghanistan und die Abnahme von Guantanamo-Insassen bis zu den unterschiedlichen Strategien gegen die Wirtschaftskrise?

Es ist ein Lehrstück über das Verhältnis von Wahrnehmung und Realität in den internationalen Beziehungen. Der Umgangston ist wieder netter als unter Bush. An den nationalen Interessen der Partner und am Zustand der Welt hat sich jedoch wenig geändert. Man kann Obama nicht einmal vorwerfen, dass er die Welt über seine Ziele belogen hätte und nun Versprechen bricht. Gemessen wird er aber nicht an seinen (kaum veränderten) Zusagen in Sachfragen, sondern an der Hoffnung auf eine grundsätzliche Wende, die sich an seine Wahl knüpfte. Irgendwie hatten alle erwartet, dass die jeweils andere Seite sich bewegen werde, um den Wandel zu ermöglichen.

Obama hat zu diesem Missverständnis beigetragen – und er tut es weiter. Er weiß um die Wirkung seiner persönlichen Auftritte und er setzt sie ein, um Veränderungsdruck zu erzeugen. Das führt jedoch zur Überschätzung des Einflusses eines US-Präsidenten. Ob es Fortschritte im Nahen Osten gibt, hängt in erster Linie von Israelis und Palästinensern ab, nicht vom US-Präsidenten. Der kann bestenfalls durch Moderation die letzten Hindernisse für eine Einigung aus dem Weg räumen. Aber er kann fehlende Friedenswilligkeit der Konfliktparteien nicht ersetzen. Ein Nahosttreffen ohne Fortschritte wie jetzt in New York lässt Obama machtlos erscheinen.

In der Klimapolitik sind ihm die Hände gebunden. Er kann keine Emissionsziele versprechen, für die er keine Mehrheit im Kongress hat. Das gilt auch für die von Europa gewünschte Verschärfung der internationalen Finanzaufsicht beim G-20- Treffen in Pittsburgh. In der Afghanistanfrage liegen die Probleme anders. Obama hat den Kurswechsel weg von der Truppenverstärkung gar nicht vollzogen, den ihm nun manche unterstellen, nur weil er nicht prompt auf Bitten der Militärs um noch mehr Soldaten reagiert. Die Aufstockung von rund 32 000 US-Soldaten im Januar auf 68 000 bis Jahresende ist in vollem Gang. Nur redet er ungern darüber, da der Afghanistankrieg auch in den USA immer unpopulärer wird. Die Entscheidung, ob 2010 noch mehr Soldaten gebraucht werden, hat Zeit.

Der Realitätsschock war überfällig. Falsche Erwartungen sind keine gute Basis für Politik. Mit der Enttäuschung sollte man es auch nicht übertreiben. Selbst ein auf Normalmaß gestutzter Obama ist für Deutschland auf vielen Gebieten immer noch ein besserer Partner als Bush.

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