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Die frühe Obama-Euphorie in Israel hat auch dort der Enttäuschung Platz gemacht, weil wenig Taten folgten.

© dpa

Obamas Nahost-Besuch: Palästinakonflikt: Kräftespiel in der Region ist komplexer geworden

Bei der Nahostreise von US-Präsident Barack Obama steht der Palästinakonflikt nicht im Zentrum - das ist eine Chance für die Region, meint unser Autor Christoph von Marschall.

Die Palästinenser sind mal wieder die Gekniffenen. Da kommt zum zweiten Mal in ihrer Geschichte ein US-Präsident zu Besuch. Doch hinterher wird der Palästinenserstaat nicht einen Schritt nähergerückt sein. Im besten Fall ist die Tür dorthin einen kleinen Spalt weiter offen als in den fünf Jahren, seit George W. Bush 2008 als erster US-Präsident in Ramallah war. Ob das etwas nützt, wird man erst in einigen Monaten sehen. Das ist das Neue an Barack Obamas Nahostreise: Wenn bisher ein US-Präsident in die Region reiste oder sich anderswo mit den Spitzenvertretern der Israelis und der Palästinenser traf – Madrid, Oslo, Camp David, Annapolis –, durfte man davon ausgehen, dass der Palästinakonflikt im Zentrum steht. 2013 ist das nicht mehr so. Das Kräftespiel in der Region ist komplexer geworden. Israels Premier Benjamin Netanjahu möchte den Umgang mit Iran zum Hauptthema machen und Jordaniens König den Bürgerkrieg in Syrien. Palästinenserpräsident Mahmud Abbas ist der Einzige, dem es zuerst um die Zwei-Staaten-Lösung geht. Er braucht Fortschritte mehr als jeder andere Beteiligte. Entsprechend groß ist seine Bereitschaft zu Zugeständnissen. Er besteht nicht mehr darauf, dass Netanjahu öffentlich den Siedlungsstopp verkündet, ehe die seit langem ruhenden direkten Gespräche fortgesetzt werden. Es würde ihm genügen, wenn Netanjahu dies hinter verschlossenen Türen verspricht. Ein zweiter wichtiger Wandel: Obama ist weniger bereit, sich als Vermittler zu exponieren, als seine Vorgänger Clinton und Bush. Deren Scheitern hat ihn vorsichtig gemacht. Deshalb hängt er die Erwartungen möglichst niedrig. Auch Obama würde liebend gern als Friedensstifter in die Geschichte eingehen. Priorität hat für ihn jedoch Amerikas Innenpolitik und wirtschaftliche Gesundung, ohne die es keine starke Außenpolitik geben kann. Das bedeutet jedoch keinen Rückzug aus der Region, sondern lediglich die Einsicht, dass es nicht allein von ihm abhängt, wie viel Zeit und Energie er Palästina widmen kann. Die Entwicklungen in Syrien und im Iran könnten ihn zwingen, dort einzugreifen. Zudem hält Obama es für eine Illusion, dass Fortschritt im Nahen Osten in erster Linie vom Engagement der USA abhängt.

Frieden wird es nur geben, wenn Israel und Palästina gleichzeitig handlungsfähige Regierungen und gesellschaftliche Mehrheiten haben, die bereit sind, die nötigen Kompromisse zu schließen. Deshalb spricht Obama nicht nur mit den Politikern, sondern wendet sich direkt an die Bürger in beiden Völkern. Die frühe Obama-Euphorie hat auch dort der Enttäuschung Platz gemacht, weil wenig Taten folgten. Er muss das Vertrauen der Menschen zurückgewinnen, um ihre Regierungen unter Druck setzen zu können. Mit etwas Glück könnte Obama mit der neuen Bescheidenheit am Ende mehr bewirken als Clinton und Bush, die dem Nahen Osten erst kurz vor Amtsende volle Energie widmeten. Obama fliegt von Jordanien in die USA zurück, sein Außenminister John Kerry hingegen nach Jerusalem. Vielleicht ist es der Auftakt zu einer „Shuttle“- Diplomatie, die nicht schon bei ihrem Beginn von übergroßen Erwartungen belastet wird.

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