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Ist die Frage nach einer Frauenquote im offenen Meinungskampf eine nützliche oder weniger nützliche Debatte?

© dpa

Offener Meinungskampf: Das politisch korrekte Deutschland

In Deutschland hat sich ein Hang zur Intoleranz breitgemacht: Denn bei allen demokratischen Debatten geht es immer wieder darum, die vom Mainstream abweichende Position ins moralische Aus zu drängen.

Der konservative CDU- Politiker Alfred Dregger pflegte gern darauf hinzuweisen, dass er in den Maitagen 1945 in Breslau bis zur letzten Patrone gegen die Russen gekämpft habe. Obwohl dieser Sündenstolz schon damals manches Stirnrunzeln hervorrief, hat es doch seiner Karriere nicht geschadet. Ähnliche Bemerkungen würden heute wohl nicht nur zum Karriereende, sondern auch zum umgehenden Ausschluss aus jeder politisch korrekten Diskussion führen. Deutschland ist nicht nur weiblicher, weltoffener und demokratischer geworden, es hat sich auch ein Zug zum Intoleranten breitgemacht.

Man kann heute kaum noch Zweifel an einem ausschließlich von Menschen gemachten Klimawandel äußern, ohne in die Nähe der Holocaust- oder Auschwitz- Leugner zu geraten. Und wer nach wie vor auf dem kleinen Unterschied zwischen Mann und Frau besteht, wird nicht nur von bigotten Gender-Ideologen schief angesehen. In der Union ist eine Diskussion darüber im Gange, was denn nun konservativ sei, die sich schnell ins Phrasenhafte verliert. Dabei ist die Sache ganz einfach: Konservative möchten weiterhin an dem Recht der Frauen festhalten, sich ohne schlechtes Gewissen ein paar Jahre der Kindererziehung widmen zu dürfen, und zwar ohne, dass Peer Steinbrück von einem reaktionären Familienbild schwurbelt. Dabei wird die Liste dessen, was gar nicht mehr geht, immer länger. Man muss heute Engländer oder Amerikaner sein, um Zweifel an Deutschlands Alleinschuld am Ersten Weltkrieg äußern zu dürfen, wie es kürzlich der Preußenhistoriker Christopher Clark tat und man sollte besser in Indien, China oder Polen an Sinn und Unsinn der Energiewende zweifeln als in Deutschland.

In keinem anderen Land der Welt wird die Frage, ob Zuwanderung aus fremden Kulturkreisen für ein Land und seine Gesellschaft sinnvoll oder belastend ist, und ob sich manche Kulturkreise damit schwerer tun, als die vielen klugen türkischstämmigen Fernsehgesichter demonstrieren sollen, von so vielen Tabus umstellt. Schließlich geht es nicht darum, ob alles richtig oder falsch ist, was Sarrazin behauptet, sondern allein darum, ob nach dem Urteil selbst ernannter Zensoren nicht nützliche Debatten überhaupt noch geführt werden dürfen, und ob wir auch künftig in einer Gesellschaft leben, in der die Frage, ob die Frauenquote ein sinnvoller und freiheitlicher Weg ist, nicht nach gut oder böse beurteilt, sondern nach nützlich und weniger nützlich diskutiert oder entschieden wird.

Nein, es geht bei all diesen Versuchen, Ergebnisse von demokratischen Debatten und offenem Meinungskampf vorwegzunehmen und die andere, vom Mainstream abweichende Position ins moralische Aus zu drängen, nicht um mehr oder weniger richtig, sondern um zulässig oder unzulässig. Und gerade jene, die Fortschrittlichkeit und Modernität gern im Munde führen, haben die Gebote zweier „fortschrittlicher“ Persönlichkeiten vergessen. Von Voltaire stammt die Aussage, dass er hasse, was sein Gegenüber vertrete, aber immer dafür eintreten werde, dass er es vertreten könne. Und Rosa Luxemburg fasste diesen Kern freiheitlicher Toleranz in dem berühmten Satz zusammen, dass Freiheit immer nur die Freiheit des Andersdenkenden sei.

Doch unsere grün-fortschrittlichen Gesellschaftsingenieure huldigen einer anderen philosophischen Maxime. Für sie ist Freiheit die Einsicht in die Notwendigkeit und die Notwendigkeit ihr Urteil über richtig und falsch.

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