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Meinung: Offensive in Europa

Heute Madrid – und morgen? Die Terrordrohungen gegen den Kontinent nehmen zu

Muss man sich nun daran gewöhnen, dass Terroristen sich inmitten europäischer Städte einfach in die Luft sprengen, wenn sie verhaftet werden sollen? Dass die jungen Männer von nebenan vielleicht gar nicht gekommen sind, um Arbeit oder Asyl zu suchen, sondern in Wirklichkeit eine Bombenwerkstatt betreiben?

Wer geglaubt hatte, die Anschläge von Madrid mit ihren fast 200 Opfern seien eine einmalige „Strafaktion“ von Al Qaida gegen ein Land, dass die Amerikaner im Irak-Krieg unterstützt hatte, der wurde nun eines Besseren belehrt: Obwohl der sozialistische Wahlsieger in Spanien, José Luis Rodríguez Zapatero, den Abzug spanischer Soldaten von Euphrat und Tigris angekündigt hatte, fand die Polizei am Freitag eine Bombe an der Schnellbahntrasse zwischen Madrid und Sevilla. Mit Terroristen, das ist klar, kann man keine Deals aushandeln.

Genauso beunruhigend sind die zahlreichen Strategiepapiere und Videobotschaften von Al Qaida, die nun auftauchen und in denen Anschläge gegen amerikafreundliche Staaten oder ganz Europa angekündigt werden. Rechtzeitig zu Ostern wurde bekannt, wie ein Vertrauter Osama bin Ladens gar die Zerstörung Roms ankündigt. In der delirierenden Diktion von Al Qaida hört sich das so an: „Rom ist das Kreuz, der Westen ist das Kreuz. Die Römer sind die Herren des Kreuzes und das Ziel der Muslime.“ Dass der Papst sich nicht nur vehement gegen den Irak-Krieg gewandt hat, sondern auch einer der wichtigsten Fürsprecher des interreligiösen Dialogs mit Muslimen ist – egal. Der Dschihad-Wahn lässt sich nicht mit Argumenten widerlegen. Islamistische Extremisten vom Schlage bin Ladens besitzen ein hermetisches Weltbild, in dem die Guten klar von den Bösen getrennt sind. Für anderes ist in diesen Köpfen kein Platz.

Selbstverständlich gehören in diesem Weltbild auch die Deutschen zu den Bösen. Auf der Liste ganz oben stehen zwar Italien, Polen, Großbritannien und jüdische, israelische oder amerikanische Einrichtungen in der ganzen Welt. Aber dann kommt irgendwann Deutschland. Gründe finden die Terroristen genug – vom deutschen Eingreifen in Afghanistan bis zum Verbot des Kopftuches. Wir werden uns an den Gedanken gewöhnen müssen, dass die Terroristen irgendwann auch hier zuschlagen.

Angesichts dieser Bedrohung ist es kaum verständlich, dass sich Europa – und auch Deutschland – weiter eine Zersplitterung bei der Bekämpfung des Terrorismus leistet, die dem Problem nicht angemessen ist. Denn die Terroristen bedienen sich ja längst der Mittel der Globalisierung, deren Geist sie vehement bekämpfen. Die extremistische Internationale pflegt Kontakte quer durch den Kontinent: von Madrid nach Köln, von London nach Paris und von Hamburg nach Turin. Wenn „heilige Krieger“ von Deutschland über Italien in den Irak geschleust werden, wird deutlich, dass wir uns weder den zähen Informationsfluss zwischen den 16 Landesämtern für Verfassungsschutz in Deutschland leisten können, noch nationalstaatliche Eifersüchteleien, wenn es um den Austausch von Informationen innerhalb Europas geht.

Überall in Europa wurden nach den Anschlägen vom 11. September 2001 Sicherheitsgesetze verabschiedet, die dem Bürger einigen Verlust an persönlicher Freiheit zumuten. Da überrascht es schon, dass auch zweieinhalb Jahre später wenig passiert zu sein scheint, was die interne Organisationsstruktur der zuständigen Behörden anbelangt – ein Zustand, den Verteidigungsminister Struck gerade zu Recht als absurd bezeichnet hat.

Ein weiteres Element einer Sicherheitsstrategie bilden die muslimischen Gemeinschaften in Europa. Die dürfen zwar nicht in Sippenhaft genommen werden für die Verbrechen einzelner Radikaler. Andererseits darf man auch nicht darüber hinwegsehen, dass die Anzahl von Extremisten innerhalb der muslimischen Minderheit weitaus größer ist als etwa in der Mehrheitsgesellschaft. Und so existiert um manche fundamentalistische Moschee ein Sympathisantenumfeld, in dem Terroristen untertauchen können. Das Islam-Archiv hat gerade alle hier lebenden Muslime aufgerufen, die Bundesrepublik im Kampf gegen den islamistischen Terrorismus zu unterstützen. Angesichts der weltweiten Bedrohung habe die Gesellschaft ein Recht darauf, klare Antworten auf Verbrechen zu fordern, die im Namen des Islams begangen werden. Besser kann man es nicht sagen.

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