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Zu unentschlossen, um Europa zu führen? Bundeskanzlerin Merkel auf dem Weltwirtschaftsgipfel in Davos.

© dpa

Ohne Kraft in der Krise: Warum die USA die Geduld mit Deutschland verlieren

Europa ist in der Krise führungslos, aus amerikanischer, aus Weltsicht. Zur Führungsverantwortung sind die Deutschen qua Fakten berufen, meint Stephan-Andreas Casdorff. Doch das Land will nicht.

Wir müssen aufpassen, dass uns nicht die Kraft ausgeht, deswegen können wir uns nicht unendlich für Europa engagieren – sagt die Kanzlerin, so ähnlich jedenfalls, und es klingt wie eine Entschuldigung. Genauer: wie ein Sorry an die Adresse der Vereinigten Staaten von Amerika, die ganz allmählich erkennbar die Geduld mit den uneinigen Staaten von Europa zu verlieren scheinen. Das ist auch kein Wunder.

Was muss die Obama-Administration noch tun, damit die Deutschen verstehen? Was muss ihnen, den Deutschen, noch gesagt werden, damit sie es tun? Vor Jahrzehnten schon wurde ihnen die Partnerschaft in der Führung der westlichen Welt angeboten. Nicht mehr lange, und das Angebot ist nicht nur verwittert, sondern verwirkt. Der Präsident, sein Finanzminister, Berater auf allen Ebenen haben sich erst zurückhaltend erklärt, dann deutlicher, jetzt überdeutlich – aber Angela Merkel zögert, wägt ab, wiegelt ab. Umso schlimmer wird das, wo doch andererseits ihre Helfer meinen, Europa spreche Deutsch.

Europa ist führungslos, aus amerikanischer, aus Weltsicht. Zur Führungsverantwortung sind die Deutschen qua Fakten berufen, als viertgrößte Wirtschaftsnation der Welt, als zweitgrößter Exporteur, als die bestimmende ökonomische Größe in Europa. Frankreich würde vielleicht gerne, aber Deutschland muss. Und will doch nicht, in Gestalt der Kanzlerin. So stellt es sich den amerikanischen Freunden dar, die ihrerseits eines in der Zwischenzeit unmissverständlich klargemacht haben: Gerade wegen der engen, der schicksalhaften wirtschaftlichen Verflechtung Europas mit Amerika und umgekehrt müssen beide Seiten die jeweils allergrößten Anstrengungen unternehmen, um gemeinsam ihre Krisen zu bewältigen.

Das ist ein Test auf die transatlantische Zusammenarbeit, wie er in seiner Tragweite in Deutschland offenbar nicht recht wahrgenommen wird. Versagt sich die Berliner Regierung weiterhin, wird das die Hinwendung der USA zur pazifischen Region mit Tiger- und Pantherstaaten beschleunigen. Was keiner wollen kann, der wirtschaftlich und geostrategisch denkt. Und darüber hinaus den Wert der amerikanisch-deutschen Beziehungen nicht für ein Abfallprodukt hält. Dass IWF-Chefin Christine Lagarde und Weltbank-Präsident Robert Zoellick in dieser Richtung argumentieren, ist für Deutschland ein Armutszeugnis. Es offenbart außerdem die Dramatik der Einschätzung in Washington.

In welches Risiko ist Amerika gegangen, um seine Wirtschaft auch für die Welt mit Billionen Dollars zu stabilisieren! Und Deutschland? Hat bisher 13,5 Milliarden Euro an Griechenland gegeben, aber auch nur als Kredit; will beim Euro in Summe billiger davonkommen, als die deutsche Einheit ihr jährlich wert war; und verlangt, dass alle drakonisch sparen, selbst wenn sie nichts mehr haben. Andere Ideen werden nicht getestet. Das ist nicht mutig, nicht Führung, sondern ein Diktat, als Zeichen der Schwäche. Anders gesagt: Wären alle Physiker so, hätte keiner eine neue, richtungweisende Entdeckung gemacht.

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