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Meinung: Olympia in Berlin?: Manchmal hilft ein zweiter Anlauf

Ganz Deutschland hat sich lustig gemacht über Berlin und seine misslungene Bewerbung für die Olympischen Spiele 2000. Über das Dinner unterm Pergamon-Altar für die Inspektoren vom Internationalen Olympischen Komitee, das schon zum Programm der Nazis für die Spiele 1936 gehört hatte.

Ganz Deutschland hat sich lustig gemacht über Berlin und seine misslungene Bewerbung für die Olympischen Spiele 2000. Über das Dinner unterm Pergamon-Altar für die Inspektoren vom Internationalen Olympischen Komitee, das schon zum Programm der Nazis für die Spiele 1936 gehört hatte. Über den Agenten "Astrid" und seine Sex-Dossiers mit Vorlieben der IOC-Mitglieder. Über Manager wie Axel Nawrocki und Lutz Grüttke, die sich weltläufig gaben und provinziell wirkten.

1993 scheiterte Berlin am Votum des IOC. Endgültig, wie es schien. Aber jetzt, acht Jahre später, können wir uns mit dem Gedanken anfreunden, dass Berlin die Spiele doch noch ausrichten wird. Heute entscheidet das Nationale Olympische Komitee, ob sich Deutschland für die Sommerspiele 2012 bewerben soll. Hamburg, Düsseldorf, Stuttgart, Frankfurt und Leipzig haben sich bereit erklärt, Berlin lässt seine Ambitionen nur ganz vorsichtig erkennen. Doch wenn es eine deutsche Bewerbung gibt, dann sollten die Berliner ihre Zurückhaltung aufgeben und sich wieder aufmachen Richtung Olympia.

Berlin ist heute anders als 1993. Die Politiker und Funktionäre von damals sind abgelöst oder auf dem Rückzug. Ihre Fehler sind analysiert, so naiv wie damals ginge heute niemand mehr vor. Das alternative Milieu, aus dem sich die "NOlympia"-Bewegung rekrutierte, hat sich verändert. Inzwischen haben sogar die Grünen verschämt Sympathie für Spiele in Berlin geäußert, und selbst in der "taz" werden die Chancen Berlins ohne Häme besprochen. Was dazu beiträgt: Der Nachfolger des umstrittenen IOC-Präsidenten Samaranch, Jacques Rogge, steht für eine Erneuerung des Komitees - und gegen Korruption. Die Berliner Wirtschaft ist ohnehin dafür und signalisiert Unterstützung. Mit Olympia lässt sich gut werben - und gut verdienen, wie alle Spiele der vergangenen 16 Jahre zeigten.

Und wie stehen die Chancen? Berlin wäre ein Kandidat mit bester Infrastruktur. Das ist, was zählt. Bewerbungen dagegen, die nur auf die Kraft von Symbolen setzten, scheitern zumeist - wie Athen 1996, das meinte, 100 Jahre nach den ersten Spielen der Neuzeit am gleichen Ort ganz selbstverständlich wieder dran zu sein; und wie Berlin 2000, das glaubte, die Welt teile den Vereinigungsrausch der Deutschen. New York, möglicher Kandidat für 2012, könnte es ähnlich ergehen. Das IOC entscheidet 2005 - rational, nicht emotional. So ist das eben, wenn es auch um viel Geld geht.

Berlin ist praktisch. Die Stadt hat viele Hotels und ein gutes Nahverkehrssystem, die Sportstätten liegen nah beieinander. Der irritierende Baustaub der Nachwendejahre hat sich verzogen. Das Velodrom, die Schwimmhalle und die Max-Schmeling-Halle stehen bereit. Das Olympiastadion wird für die Fußball-WM 2006 umgebaut. Die Mehrzweckhalle der Eishockey-Klubs soll 2004 fertig sein. Olympia kann alles das nutzen, ohne extra zu kosten.

"Wer wartet schon auf Düsseldorf oder Leipzig, wenn New York, Paris oder Moskau zur Wahl stehen?" fragt der frühere Olympiasieger und jetzige Sport-Funktionär Michael Groß. Berlin gehört in den Kreis der Weltstädte. Das mag man hier vielleicht anders sehen. Aber im Ausland ist man davon überzeugt - und jetzt auch in Deutschland. 85 Prozent der Bundesbürger sind für eine deutsche Bewerbung, und Berlin liegt in der Gunst ganz weit vorne.

Olympiabewerber brauchen Ausdauer, wie Athen und Peking, die auch nicht im ersten Versuch die Spiele bekamen. Berlin ist beim ersten Versuch gescheitert. Darüber haben wir damals gelacht. Jetzt wird es ernst.

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