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NSA-Hauptquartier in Fort Meade: Der Geheimdienst lässt südlich von Salt Lake City ein neues Datenzentrum bauen.

© dpa

Online-Überwachung: Wie die NSA zur Bedrohung für die Demokratie wird

Die NSA baut einen gigantischen Datenspeicher, der es erlaubt, Personen zu klassifizieren, ihr Verhalten vorauszuberechnen und schlimmstenfalls sogar zu steuern. Der Geheimdienst wurde gegen die kommunistische Bedrohung gegründet - und ist jetzt selber eine.

Kennen Sie den? Nein, das wird hier kein Witz, sondern eine ganz andere Geschichte. Sie stammt aus dem Netz, ist ein Clip auf Youtube. Da nimmt ein junger Mann sein iPhone, schaltet die Ortungsdienste aus. Dann fragt er „Siri“ – das ist eine Software vom Internet-Konzern Apple, die der Erkennung und Verarbeitung von natürlich gesprochener Sprache dient – nach ein paar Weltreligionen. Als Erstes fragt er nach dem Christentum. Antwort: „Alles klar, ich habe Folgendes gefunden“, und es folgt ein Wikipedia-Eintrag. Dann der Buddhismus. „O.k., ich hab das hier gefunden“, wieder ein Wikipedia-Eintrag. Als Letztes: Islam. Die Antwort: „Verrat mir zuerst, wo du bist. Aktiviere dazu in den Einstellungen unter ,Datenschutz’ sowohl die Option ,Ortungsdienste’ als auch unter ,Ortungsdienste’ die Option Siri.“ Auffällig, nicht? Nur beim Islam.

Aber zu bedeuten hat das doch alles nichts, oder? Was da im Netz abgeht, hat doch mit uns nichts zu tun, nicht wahr? Alles nur Verschwörungstheorie, die Praxis sieht anders aus. Digital ist nicht letal.

Fragt sich nur: Wirklich?

Es sei die Aufgabe des Geheimdienstes, die Feinde der USA auszuforschen. Weil man nicht vorher wisse, wer Böses gegen Amerika im Schilde führe, müsse eben jeder auf der Welt überwacht werden. Das ist die Praxis, beschrieben vom Chef der NSA, Army-General Keith Alexander, dem auch das „United States Cyber Command“ untersteht. Die NSA, die „National Security Agency“ der USA, werde weiter alles abhören, was sie technisch erfassen kann.

Hier sehen Sie den oben angesprochenen Youtube-Clip:

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NSA baut gigantischen Datenspeicher

Erfassen kann die NSA – alles. Speichern auch. Weil so viel anfällt, will der Mega-Geheimdienst in Bälde ein Datenzentrum in der Nähe von Salt Lake City im Bundesstaat Utah eröffnen. 1,5 Milliarden Dollar teuer ist der Komplex. Wie das Technologie-Magazin „Wired“ herausgefunden hat, soll der 100 000 Quadratmeter große, gigantische Datenspeicher einen Strombedarf von 65 Megawatt haben, das ist so viel wie für eine kleinere Großstadt. Die Eröffnung am 24. September wurde wegen Problemen mit der Stromversorgung verschoben – nicht etwa, weil Zweifel daran aufgekommen wären, ob das Ganze noch mit rechten Dingen zugeht.

Die NSA sieht sich im Recht. „Wenn du nichts zu verbergen hast, hast du nichts zu befürchten.“ Wahrscheinlich doch. Seit Jahren hat der US-Geheimdienst mehrere der schnellsten Rechner der Welt, Supercomputer, unter seiner Kontrolle. Und will einen neuen, einen Super-Supercomputer. Spätestens dann wird Wirklichkeit, was Experten bereits seit längerem sagen: Das Sammeln großer Datenmengen erlaubt es, Personen zu klassifizieren, ihr Verhalten vorauszuberechnen und auf der Basis spieltheoretischer Modelle schlimmstenfalls sogar zu steuern. Damit korrespondiert die Nachricht, dass 2020 mehr als 50 Milliarden Gegenstände mit dem Internet verbunden sein werden, die wir freiwillig verbinden, nicht nur Smartphones und Tablet- Computer, sondern alles, alles Mögliche. Das Vorliegen aller zugänglichen Informationen aus analogen und digitalen Daten, eine Datenbank, die auch Daten der Internet-Konzerne und solche aus Hackerangriffen auf fremde Netze einbezieht, wird so zur ultimativen Verlockung, darin nach Mustern zu suchen.

Droht ein unkontrollierbarer "Weltpolizeistaat"?

Die NSA wurde 1952 von Präsident Harry S. Truman gegen die kommunistische Bedrohung gegründet. Jetzt ist sie selber eine. Gerhart Baum, der frühere liberale Bundesinnenminister, ein Rechtsanwalt, warnt schon länger vor einem „schlüsselfertigen totalitären Staat“, einem unkontrollierbaren „Weltpolizeistaat, der sich über Recht und Gesetz hinwegsetzt“. Er fordert eine „Weltmenschenrechtskonferenz“, analog zu denen übers Klima, die Weltfinanzen oder die Atomwaffen. Auch immer mehr Wissenschaftler warnen vor der Gefahr, dass „die Demokratie untergraben“ wird. Sie kritisieren, dass die massenhafte Speicherung von Online-Kommunikation aller Menschen die Unschuldsvermutung in eine Schuldvermutung umkehrt.

Also fragen wir besser mal unsere Freunde nach dem Islam.

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