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Das Flüchtlingscamp auf dem Oranienplatz in Kreuzberg.

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Oranienplatz: Frank Henkel hat einen dicken Fehler gemacht - und trotzdem Geschick bewiesen

Für Klaus Wowereit ist es in Sachen Oranienplatz nicht schlecht gelaufen. Doch auch Innensenator Frank Henkel steht überraschend nicht so schlecht da. Denn als Hardliner kann er nicht Regierender Bürgermeister werden.

Wundervoll, wie das wieder für Klaus Wowereit gelaufen ist. Er steht da als der harte Bursche, der alles im Griff hat, die eigene Partei, den Senat, den politische Gegner steckt er auch in die Tasche. Na ja, das alles stimmt auch irgendwie, aber es stimmt immer irgendwie. Wowereit ist abgebrüht und ausgebufft, hat ’ne Berliner Schnauze und kann den Berliner nehmen wie kein Zweiter. Das kommt ihm auch nicht über Nacht abhanden, selbst wenn er mal ein Formtief hat. Erst recht, wenn er keines mehr hat, so wie jetzt.

Dennoch sind weder das Publikum noch olle Henkel so dumm. Gemeint ist der Fall „O-Platz“, der Oranienplatz. Wie Henkel da gehandelt hat, war eben doch nicht nur daneben, im Gegenteil: mitten rein. Und zwar so: Indem er die Verantwortung mit anderen im Senat teilt, wird nachher auch die Schuld nicht ganz bei ihm abgeladen werden können, wenn denn doch geräumt werden müsste. Also besser die lieben SPD-Kollegen mit hineinziehen.

Innensenator Frank Henkel gibt zu, dass "der Senat noch Gesprächsbedarf hat“. Ein kleiner Fortschritt in der Koalitionszusammenarbeit.
Innensenator Frank Henkel gibt zu, dass "der Senat noch Gesprächsbedarf hat“. Ein kleiner Fortschritt in der Koalitionszusammenarbeit.

© pa

Dahinter steht die nicht ganz von der Hand zu weisende Überlegung, dass Henkel nicht noch selber den Lummer machen kann, der seinerzeit im Senat für die harte Linie stand. Zur Erinnerung: 1981 wurde Lummer Bürgermeister und Senator des Innern in Berlin unter dem Regierenden Bürgermeister Richard von Weizsäcker. Während Lummers Amtszeit als Innensenator kam im September 1981 der Hausbesetzer Klaus-Jürgen Rattay zu Tode. Der Vorfall wurde zum Politikum, weil Lummer angekündigt hatte, härter gegen die Hausbesetzerszene vorzugehen, und er zeitgleich zu Rattays Tod im kurz vorher geräumten Haus in der Bülowstraße eine Pressekonferenz gegeben hatte.

Lummer wurde bekanntermaßen nie Regierender; aber ein Weizsäcker hätte ohne ihn nie so über den Niederungen regieren können. Henkel hat aber keinen Lummer. Wenn er Regierender werden will, muss Henkel für weite Teile dieser multikulturellen und multiethnischen und multiüberhaupt Stadt wählbar sein, nicht nur für das eine Prozent am rechten Rand des West-Berliner Bürgertums, das ohnehin auch so keine Mehrheit hat.

Hätte Wowereit wie Henkel gehandelt, wäre er als smart gelobt worden

Und wenn einer sagt, dass der Henkel ja doch nur ein Glaskinn habe, dann wäre diese Taktik auch nicht die schlechteste: verzögern und Schläge auspendeln. Denn es hieße doch, in die Falle zu gehen, wenn er der politischen Denkfigur schlicht folgen würde, dass Recht und Gesetz ohne Rücksicht auf die wahre Wirklichkeit mit Härte Geltung zu verschaffen sei. Übrigens das am Rande: Das Thema „Oranienplatz und wie weiter“ ist von Wowereit auch deshalb von der Tagesordnung gekickt worden, weil die Tagesordnung des Senats bis heute ein Herrschaftsinstrument ist; trotz der Richtlinienkompetenz des Regierenden. Und wo kämen wir denn da hin, wenn Henkel bestimmte, also jetzt nur mal die Tagesordnung?

Richtig, Henkel hat einen dicken Fehler gemacht: Er hat zugelassen, dass seine Reaktion auf die Situation als Fristsetzung an den Bezirk verstanden wurde. Das war sie so nicht. Aber Henkel hat die Deutung zugelassen, weil sie eine harte Haltung suggerierte. Nun geht er anders vor, taktisch. Das kann man auch kritisieren. Aber wenn in vergleichbarer Lage Wowereit das gemacht hätte, wäre er bestimmt als wieder mal smart gelobt worden.

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