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Viele Bürger tun sich mit dem Thema Organspende schwer. Die immer neuen Skandale erschüttern das Vertrauen weiter.

© dpa

Organspende-Skandal: Vertrauen rettet Leben

Durch Betrug in Serie wurden viele potenzielle Organ-Spender verschreckt. Leidtragende sind die Patienten auf den Wartelisten. Doch es gibt eine Möglichkeit, die verloren gegangene Glaubwürdigkeit zurück zu gewinnen.

Zuerst Göttingen, dann Regensburg und München, und nun Leipzig. Der Skandal um gefälschte Patientendaten in deutschen Transplantationszentren zieht immer weitere Kreise. Stets wurde der Gesundheitszustand der potenziellen Organempfänger schlechter dargestellt, als er war. Damit rückten die Kranken auf der Warteliste nach oben – vorbei an Patienten, deren Zustand noch elender war. Über die Motive der Mediziner kann nur spekuliert werden. Direkte Bestechlichkeit, obwohl denkbar, ist eher unwahrscheinlich. Möglich, dass sich mancher Arzt von einem besonders anrührenden Patientenschicksal zur Manipulation verleiten ließ. Dem steht entgegen, dass der Betrug meist in Serie erfolgte. Da steckte also womöglich System dahinter. Die betreffenden Kliniken verbuchten dank entsprechender Entgelte für die Organverpflanzung lukrative Gewinne und konnten sich obendrein des gewachsenen medizinischen Renommees erfreuen.

Aber die Organtransplantation ist keine medizinische Disziplin wie jede andere. Sie ist auf das Zutrauen der Öffentlichkeit angewiesen. Und das ist verspielt worden, wie der drastische Rückgang der Organspenden bereits im Herbst 2012 zeigte. Damit ist klar, dass der Skandal Menschen auf der Warteliste das Leben kostet. Das Misstrauen der Bevölkerung verschärft die Situation für die mehr als 11 000 Patienten, die hierzulande auf ein lebensrettendes Organ hoffen.

Die Zahl geeigneter Spender ist ohnehin rückläufig, etwa, weil sich seltener tödliche Verkehrsunfälle ereignen. Gleichzeitig gibt es dank besserer medizinischer Versorgung mehr Menschen, die trotz Krankheit am Leben bleiben und als Organempfänger infrage kommen. Auch das verstärkt den Druck. Die Medizin begegnet dem Mangel, indem „nicht mehr so gute“ Organe älterer Spender oder lebender Spender verpflanzt werden.

Seit Bekanntwerden der ersten Manipulationen in der Transplantationsmedizin wurden die Kontrollen verschärft. Schlupflöcher für Betrügereien sind so gestopft worden. Dass das richtig war, zeigen die Fälle jetzt in Leipzig. Und zum Glück hat die Politik bisher davon abgesehen, eine Art staatliches Amt für Organspende ins Leben zu rufen. Eine solche zentrale Vergabestelle wäre purer Aktionismus und eine Verschlimmbesserung. Dagegen sollte ernsthaft darüber nachgedacht werden, ob Deutschland wirklich 47 Transplantationszentren braucht. Die Überzahl schafft unnötigen Wettbewerb und verdünnt medizinische Qualität. Weniger wäre mehr.

Bei aller berechtigten Aufregung um die Tricksereien auf der Warteliste sollte nicht vergessen werden, dass die so Bevorzugten ebenfalls dringend eine Spenderleber benötigten. Dahinter steht auch die Frage nach der gerechten Verteilung. Ist es fair, wenn ein Alkoholiker eine rare Spenderleber bekommt, obwohl er sich den Leberschaden selbst zuzuschreiben hat? Oder hat er eine zweite Chance verdient? Warum bekommt ein Älterer ein Spenderherz, während eine junge Mutter von drei Kindern auf der Warteliste sterben muss, nur weil sie laut Laborbefund nicht „krank genug“ ist?

Die Schicksale hinter den Messwerten und Risiko-Berechnungen zeigen, wie fragwürdig und in gewisser Weise willkürlich die Zuweisungen auf der Warteliste sind und letztlich sein müssen. Das rechtfertigt noch lange keinen Betrug. Es verweist stattdessen auf den einzigen Weg, auf dem das Problem gemildert werden kann: das erschütterte Vertrauen in die Organspende wiederherzustellen.

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